Brücke über den Maracaibosee

offiziell: 'Puente General Rafael Urdaneta'

Maracaibo / Venezuela



Die fünf Hauptfelder der Brücke über den Maracaibosee aus der Vogelperspektive

Die Konstruktion des italienischen Ingenieurs Riccardo Morandi für die Brücke über den Maracaibosee gilt als Meilenstein ökonomischer Bauweisen unter Verwendung von Spannbeton. Und sie war die erste Multi-Schrägseilbrücke der Welt.

Der Maracaibosee ist kein gewöhnlicher Binnensee, sondern eigentlich eine große Bucht des Karibischen Meeres mit direkter Verbindung zum Golf von Venezuela. Das Brackwasser des ca. 13.200 km² großen und bis zu 60 m tiefen Sees, bietet einen ganz speziellen Lebensraum für zahlreiche Tierarten. Von Norden nach Süden misst der See ca. 170 km und von Westen nach Osten knapp 120 km. Im Mündungsbereich bei Maracaibo beträgt die Entfernung zwischen den Ufern aber 'nur' knapp neun km.


Das "Ölfieber" zwingt zum Bau einer Brücke

Zur Zeit der Kolonialisierung gab es rund um den See zahlreiche Pfahlbauten, nach denen die spanischen Eroberer das Land Venezuela ('Klein-Venedig') nannten. Mit der idyllischen Ruhe am Maracaibosee war es 1914 schlagartig vorbei, als man reichhaltige Erdölvorkommen unter dem See entdeckte. Das Öl löste in der gesamten Region rund um den See (und letztendlich in ganz Venezuela) eine sprunghafte wirtschaftliche Entwicklung aus. Das Öl floss so reichlich, dass Venezuela als einziges nichtasiatisches Land zu den fünf Gründungsmitgliedern der OPEC gehörte. Heute ist der See völlig vom Ölgeschäft geprägt: Bohrtürme, entsprechende Industrie an den Ufern und große Öltanker, die bis an die Förderstätten heranschwimmen können, um das "schwarze Gold" abzuholen, bestimmen das Bild.

Bauarbeiten: Herstellung eines Pylons mit Kragträgern.
Der linke Kragträger ist bereits hergestellt und wird von einer temporären
Stütze getragen, bis die Kabelverbindung mit dem Pylon hergestellt ist. Auf
der rechten Seite wird gerade die Schalung für den Kragträger vorbereitet.

Vor dem wirtschaftlichen Aufschwung der Region endete die Straße zwischen Maracaibo und der venezolanischen Hauptstadt Caracas an den Ufern des Sees und alle Fahrzeuge mussten auf Fähren verladen werden. Natürlich war die Fährverbindung sehr zeitraubend, aber die Strecke über Land hätte einen Umweg von ca. 400 km bedeutet.

Zwangsläufig führte die stürmische Entwicklung des Landes allmählich auch zum Ausbau der Infrastruktur. Ein neuer Hafen, Eisenbahnlinien, zusätzliche Straßen und Brücken waren zu bauen. In den 1950er Jahren, noch zu Zeiten des venezolanischen Präsidenten Jimenez, wurde ein groß angelegtes Straßenbauprogramm aufgelegt, dessen Ziel es unter anderem war, die Erdölregion rund um den See besser an die Hauptstadt Caracas anzubinden. Um dieses Ziel zu erreichen, musste aber auch der Maracaibosee überwunden werden. 1956 wurde der erste internationale Wettbewerb zum Bau eines Verkehrsweges über die Meerenge bei Maracaibo ausgeschrieben. Zu den Rahmenbedingungen gehörte, dass eine Straße mit vier Fahrspuren und eine eingleisige Eisenbahnstrecke über die Brücke geführt werden sollten. Insgesamt wurden 18 Vorschläge eingereicht, darunter verschiedene Brückensysteme aber auch Tunnel und Kombinationslösungen aus beidem. Die Ausschreibung wurde aber aus verschiedenen Gründen wieder aufgehoben, um die Vorstellungen der Auftraggeber noch einmal zu konkretisieren.


Riccardo Morandi gewinnt den Wettbewerb

Im Jahr 1957 wurde ein zweiter Wettbewerb ausgeschrieben, für den aber diesmal nur noch Brückenbauwerke zugelassen waren. Es blieb bei den vier Spuren für die Autobahn sowie einer Eisenbahnlinie. Die Vorgaben wurden aber so weit konkretisiert, dass über der Fahrrinne eine freie Spannweite von 400 m für die Schifffahrt frei bleiben sollte. Zusätzlich sollten drei Wasserleitungsrohre mit jeweils 65 cm Durchmesser über die gesamte Brücke geführt werden. Außerdem war natürlich zu berücksichtigen, dass große Erdöltanker auf dem See verkehrten und schließlich sollte im Falle eines Erdbebens sichergestellt werden, dass die Zerstörung eines einzelnen Trägers nicht zu Schäden an den Nachbarfeldern führen konnte. Das heißt es waren auch Lastfälle zu berücksichtigen, bei denen ein oder mehrere Träger im System fehlten.

Insgesamt wurden 12 Vorschläge eingereicht, von denen elf aus reinen Stahlkonstruktionen bestanden. Nur das siegreiche Angebot der Arbeitsgemeinschaft Precomprimido C.A. aus Venezuela und Julius Berger A.G. aus Deutschland, sah eine im Wesentlichen aus Spannbeton bestehende Brücke vor. Grundlage für dieses Angebot war ein Entwurf des italienischen Ingenieurs Riccardo Morandi. Einer der Gründe für die Wahl dieses Vorschlages war die längere Lebensdauer und der geringere Wartungsaufwand einer Stahlbetonkonstruktion, in einem von der unmittelbaren Nähe zum Meer geprägten, tropischen Klima. Aber das siegreiche Angebot war durch äußerst ökonomische Bauverfahren auch billiger als alle Konkurrenzvorschläge.

Riccardo Morandi (1902-1989) hatte in Italien bereits einige Spannbetonbrücken gebaut aber beim Maracaibo-Projekt entwarf er ein eigenständiges Konzept für eine Schrägseilbrücke. Morandi war einer der innovativen Ingenieure seiner Zeit, die bereits voll auf den Stahlbeton setzten, bzw. auf den 1935 erstmals von Eugene Freyssinet bei einer Großbrücke verwendeten Spannbeton. Bei den konkreteren Planungen zeigte sich allerdings, dass Morandis Konzept mit einer Spannweite von 400 m nicht zu realisieren war. Das Baukonsortium änderte den Entwurf daher noch einmal entscheidend und machte aus einer großen Hauptöffnung fünf Einzelfelder mit jeweils 235 m Achsabstand zwischen den Pylonen. Dadurch wurden die statischen Anforderungen an das Tragwerk deutlich geringer, während die zur Verfügung stehende Fahrrinne Die verfügbare Breite beträgt in jedem der fünf Felder 200 m für die großen Öltanker insgesamt breiter wurde.

Durch Morandis Herkunft bedingt kamen bei Planung und Bauausführung des Projektes im Allgemeinen die italienischen Baunormen und Richtlinien zur Anwendung. Beim Ansatz der Verkehrslasten wurden allerdings die amerikanischen Normen verwendet, weil damals in Amerika schon wesentlich größere und schwerere Lastkraftwagen zugelassen waren, als in Europa. Des Weiteren war zu berücksichtigen, dass sich die Verkehrslasten durch die drei großen Wasserleitungsrohre noch einmal um ca. 25% erhöhen würden.


Die erste Multi-Schrägseilbrücke weltweit

Einer der sechs Pylone. Die A-förmigen Pylone und X-förmigen Pfeiler
haben keine direkte Verbindung miteinander.

Gerade als die Bauarbeiten im Jahre 1958 beginnen sollten, hatte Venezuela heftige innenpolitische Turbulenzen zu überstehen, in deren Folge sich der ungeliebte Diktator Perez Jimenez nach tagelangen Unruhen ins Exil in die USA absetzte. Nach zwei kurzzeitigen Übergangspräsidenten gelangte schließlich Rómulo Betancourt an die Regierung und es wurde wieder etwas ruhiger im Land. Der Machtwechsel hatte aber direkte Folgen für das Brückenbauprojekt am Maracaibosee: die neue Regierung entschied auf die Eisenbahnlinie und die Wasserleitungen zu verzichten und setzte ausschließlich auf den Straßenverkehr. Im April 1959 konnte dann endlich mit den Bauarbeiten begonnen werden.

Obwohl die größte Wassertiefe im Bereich der Trasse nur ca. 18 m beträgt, waren die Gründungsarbeiten dennoch sehr aufwändig und zeitraubend. Im Ganzen wurden ca. 69.000 laufende Meter Ramm- und Bohrpfähle in den See eingebracht. Die Bohrpfähle waren bis zu 58 m lang und hatten Durchmesser von 1,35 m. Den Gründungsarbeiten waren umfangreiche Baugrundsondierungen vorangegangen, die schwierige Gründungsverhältnisse mit mächtigen Sand- und Schlickschichten offenbarten.

Die Brücke besteht aus insgesamt 135 Brückenabschnitten mit Spannweiten von 22,6 bis 235 m. Aus statischer Sicht bestehen die meisten dieser Abschnitte aus einfachen Balken auf zwei Stützen, die in Viadukten von beiden Uferseiten auf die fünf Hauptöffnungen zugeführt werden. Auf der westlichen Seite beträgt der Abstand der Hauptöffnungen vom Ufer nur etwa 1,5 km, während es bis zum Ostufer fast 6 km sind. Die Fahrbahn auf den Viadukten steigt aus beiden Richtungen moderat an, damit sie bei den zentralen Öffnungen die erforderliche Höhe für die Schiffe erreicht.

Die fünf Hauptöffnungen, mit denen die erste große Multi-Schrägseilbrücke der Welt die Schifffahrtsrinne überspannt, sind zweifellos der technisch interessanteste Teil des Projektes. Die Hauptfelder mit den beiden Anschlussfeldern werden durch sechs große Pylone mit beidseitigen Kragträgern überbrückt, zwischen die jeweils ein sogenannter Gerberträger eingehängt ist. Jeder der sechs Pylone besteht aus zwei A-förmigen Pfeilern, die durch Querriegel miteinander verbunden sind. Zwischen diesen Pfeilern steht ein weiterer, gedrungener X-förmiger Pfeiler, auf dem die Fahrbahn aufliegt. Der 'A-Pylon' und der wuchtige X-Pfeiler haben keine direkte Verbindung miteinander, sondern verhalten sich statisch völlig unabhängig. Beide wurden - wie übrigens auch alle Viaduktpfeiler - mithilfe von Kletterschalungen betoniert.

Von den Pfeilern ausgehend wurden zunächst in beide Richtungen die Ausleger hergestellt, die durch Hilfsstützen abgesichert wurden, bis die Kabel montiert waren und die gesamte Last übernehmen konnten. Die Lücken zwischen den Auslegern wurden dann jeweils mit einem eingehängten Träger dem 'Gerberträger' geschlossen. Diese einfachen, statisch bestimmten Systeme trugen der Forderung Rechnung, dass beim Fehlen eines Brückenabschnitts die Nebenfelder nicht in Mitleidenschaft gezogen werden durften. Es ist zwar bis heute zu keinem größeren Erdbeben am Maracaibosee gekommen, aber dennoch sollte sich schon bald zeigen, dass diese Anforderung an das Bauwerk zu Recht gestellt wurde. Die Brücke ist aber durch diese Vorgabe auch weitgehend unempfindlich gegen unterschiedliches Setzungsverhalten benachbarter Pfeiler.

Die Multischrägseilbrücke aus der Perspektive eines Autofahrers.
Die einzelnen Drahtlitzen haben Durchmesser von 7,4 cm.

Die Gerberträger setzen sich aus vier T-Trägern zusammen, die einzeln eingebaut, und anschließend gegeneinander versteift wurden. Dadurch wirken sie von unten wie eine Art Kasettendecke. Die große lichte Höhe dieser zentralen Abschnitte wurde durch die Abmessungen der auf dem See verkehrenden Schiffe bestimmt. Die Fahrbahn befindet sich 50 m über dem Wasserspiegel, sodass für die Schiffe eine freie Höhe von 45 m verbleibt. Entsprechend hoch mussten natürlich auch die Pylone für die Kabelaufhängung werden, die 92,5 m aus dem Wasser herausragen.

Über die Pylone läuft auf jeder Fahrbahnseite eine Gruppe von 16 Kabeln, die man in ihrer Gesamtheit auch als 'Zügelgurt' bezeichnet. Diese wurden auf beiden Seiten des Pylons mit den äußeren Enden des Fahrbahnträgers verbunden und ohne Unterbrechung über Sättel auf den Pylonspitzen geführt. Die patentverschlossenen Kabellitzen wurden bei Felten & Guilleaume in Köln hergestellt. Jede dieser Litzen hatte einen Durchmesser von 7,4 cm und eine duch Versuche ermittelte Bruchlast von ca. 6000 kN. Im praktischen Betrieb wurde jedes Kabel aber nur mit einer Kraft von etwa 1600 kN belastet.


Rascher Baufortschritt durch ökonomische Bauverfahren

Obwohl die Maracaiboseebrücke Maßstäbe für den späteren Bau von Schrägseilbrücken setzte, ist die Art ihrer Seilanordnung noch typisch für die frühen Schrägseilbrücken der 1950er und -60er Jahre. Die über die Pylone laufenden Seilbündel greifen den Träger jeweils nur an einer Stelle an, sodass in diesem Bereich unnötig große Biegemomente auftreten. Bei modernen Schrägseilbrücken versucht man heute eine größere Anzahl von Kabeln in gleichmäßigen Abständen auf den Träger zu verteilen und dadurch die Biegemomente zu minimieren.

Einer der Vorteile des von Morandi entwickelten Systems war die modulare Bauweise. Die durchweg aus Stahl- und Spannbeton bestehenden Einzelteile wurden so weit wie möglich an Land vorgefertigt. Nur ein geringer Teil der Betonarbeiten musste direkt auf der Baustelle ausgeführt werden. Diese Arbeitsweise war nicht nur sehr ökonomisch und zeitsparend, sondern reduzierte auch die gefährliche Arbeit bei Wind und Wetter, und dazu in großer Höhe, draußen auf dem See.

Die Bauarbeiten dauerten ca. vier Jahre, bis zum Sommer 1962. Am 24. August 1962 wurde die Brücke offiziell für den Verkehr freigegeben. Mit Ihrer Gesamtlänge von 8.679 m war sie nach ihrer Fertigstellung die zweitlängste Brücke gemessen an ihrer Gesamtlänge der Welt . Ihr Bau hatte erheblichen Einfluss auf die Weiterentwicklung der Schrägseilbrücken und auch der Spannbetontechnik. Riccardo Morandi entwarf später noch zwei Brücken nach sehr ähnlichen Konstruktionsprinzipien: den Polcevera-Viadukt in Genua und die Wadi-al-Kuf-Brücke in Lybien. Die Maracaibosee-Brücke ist aber mit Abstand die größte und die einzige, die heute noch in Betrieb ist. Langfristig konnte sich das 'System Morandi' aber nicht durchsetzen und auch Morandi selbst modifizierte seine Entwürfe nach dem Bau der Wadi-al-Kuf-Brücke erheblich.

Die ausführende Arbeitsgemeinschaft bestand neben den federführenden Firmen Precomprimido C.A. und Julius Berger AG auch noch aus den Unternehmen Grün & Bilfinger (Mannheim), Philipp Holzmann AG (Frankfurt), Wayss & Freytag (Frankfurt) sowie Bridon International (England) für die Seilarbeiten.

Zu Spitzenzeiten waren ca. 2.630 Arbeiter gleichzeitig auf der Baustelle beschäftigt, von denen 17 bei Arbeitsunfällen ums Leben kamen. Mit Gesamtkosten von ca. 93 Mio US$ war sie eine gewaltige Investition in die Zukunft Venezuelas, die sich jedoch schon in den nächsten Jahrzehnten auszahlen sollte. Offiziell erhielt die Brücke den Namen "Puente General Rafael Urdaneta", nach einem aus Maracaibo stammenden venezolanischen Freiheitskämpfer.


Der See entgeht nur knapp einer ökologischen Katastrophe

Wie auch die Bevölkerungsentwicklung der Stadt Maracaibo zeigt, unterstützte der Bau der Brücke das Wachstum der ganzen Region enorm: lebten zum Zeitpunkt des Baus der Brücke noch ca. 500.000 Menschen in der Stadt, waren es ca. 50 Jahre später schon über 2.000.000 Einwohner.

Die "ESSO-Maracaibo" unter den Trümmern der eingestürzten Brücke am 6. April 1964

Knapp zwei Jahre nach Vollendung der Brücke geriet das Bauwerk durch einen spektakulären Unfall noch einmal in die Schlagzeilen der Weltpresse. Am 6. April 1964 rammte der mit 236.000 Barrel Rohöl beladene Tanker 'ESSO-Maracaibo' insgesamt drei Pfeiler der Brücke. Ursache für das Unglück war ein elektronischer Defekt, der das Schiff manövrierunfähig machte. Versuche den Anker zu werfen waren gescheitert. Das Schiff war bereits 2 km vom Kurs abgekommen, sodass nicht die großen Hauptöffnungen von dem Schaden betroffen waren, sondern der Bereich mit den dichter stehenden Pfeilern. Mehrere Felder der Balkenbrücke stürzten auf einer Gesamtlänge von 216 m ein.

Die Brücke wurde natürlich sofort gesperrt aber vier Personenwagen wurden mit in die Tiefe gerissen. Dabei kamen sieben Menschen ums Leben. Das Schiff wurde durch die herunterstürzenden Fahrbahnplatten schwer beschädigt, sank jedoch nicht. Dadurch schlitterte der See nur knapp an einer ökologischen Katastrophe vorbei. Die Brücke wurde innerhalb weniger Monate wieder Instand gesetzt und ist bis heute ohne größere Unfälle in Betrieb.


Kabelaustausch nach nur 15 Betriebsjahren

In diesem von der unmittelbaren Meeresnähe geprägten tropisch-feuchten Klima war das stählerne Seilwerk der empfindlichste Teil des Bauwerks. Dementsprechend sorgfältig wurde auch ihr Korrosionsschutz ausgeführt, dem damaligen Stand der Technik entsprechend. Allerdings ist die gewissenhafte Bauausführung immer nur der erste Schritt zur Sicherung einer langen Betriebszeit. Bei der Maracaibo-Brücke wurde jedoch der zweite Schritt, nämlich eine ebenso gründliche Bauwerksüberwachung und Unterhaltung, mangelhaft oder gar nicht umgesetzt. So wurden z.B. beschädigte Korrosionsschutzeinrichtungen an den Kabelsätteln und den Seilquerträgern Befestigungspunkte der Kabel am Träger nicht ersetzt und teilweise sogar entfernt.

Als Folge dieser mangelhaften Wartung wurde schon 15 Jahre nach der Verkehrsfreigabe festgestellt, dass 24 der 192 Seile erhebliche Korrosionsschäden aufwiesen, von denen fünf von sechs Pylonen betroffen waren. Nachdem Anfang 1979 eines der Seile gebrochen war, Dabei senkte sich der betroffene Träger um etwa 12 mm. Die temporäre Reparatur des Schadens machte erhebliche Schwierigkeiten. traf man die Entscheidung, alle Kabel schnellstmöglich auszutauschen. Den Auftrag dafür erhielt die Fa. Wayss & Freytag aus Wiesbaden. Die Arbeiten wurden innerhalb von nur 10 Monaten ausgeführt und waren im August 1981 beendet.

Die ursprüngliche Seilaufhängung sah den Austausch einzelner Kabellitzen nicht vor, was die Notmaßnahmen nach dem Seilbruch enorm verkomplizierten. Als wichtige Randbedingung wurde daher festgelegt, dass zukünftig der Austausch einzelner Litzen möglich sein sollte, ohne die Tragfähigkeit der Kabelgruppe zu beeinträchtigen. Der Querschnitt der Kabellitzen wurde aus diesem Grund um 7% vergrößert, sodass nach dem Austausch 15 Kabel die gleiche Tragkraft besassen, wie vorher alle 16 Litzen. Und noch eine weitere wichtige Änderung wurde vorgenommen: die neuen Kabel liefen nicht mehr über den Pylonsätteln durch, sondern wurden von den Pylonspitzen aus in beide Richtungen getrennt eingezogen. Seit der Sanierung besteht das Seilwerk daher aus 384 Kabellitzen.

Seit einiger Zeit klingen die Nachrichten aus Venezuela zunehmend besorgniserregend. Sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht wird die Lage des Landes offenbar immer schwieriger. Vielleicht ist dies einer der Gründe dafür, warum sich die Nachrichten häufen, dass die Unterhaltungsarbeiten an der Brücke erneut vernachlässigt würden. Gerade nach dem Einsturz des fast baugleichen Polcevera-Viadukts in Genua müsste aber jedem Verantwortlichen klar sein, wie wichtig gerade bei diesem Brückentyp die ständige Wartung und Überwachung ist.


Quellen:
  • [1] Simons / Wind / Moser: "Die Brücke über den Maracaibo-See"; Wiesbaden (1963)
  • [2] Holger Svensson: "Schrägkabelbrücken - 40 Jahre Erfahrung weltweit"; Berlin (2011)
  • [3] David J. Brown: "Brücken - Kühne Konstruktionen über Flüsse, Täler, Meere"; München (2005)
  • [4] Heinrich Hofacker: "Die Maracaibobrücke in Venezuela (Ausführungsprojekt)"; Schweizerische Bauzeitung (1960)
  • [5] Heinrich Hofacker: "Die Brücke über den Maracaibo-See in Venezuela"; Schweizerische Bauzeitung (1963)
  • [6] Puell, Heinz / Hemmleb, Rudolf: "Wiederaufbau der durch einen Schiffszusammenstoss teilzerstörten Brücke über den See von Maracaibo (Venezuela)"; Schweizerische Bauzeitung (1965)
  • [7] Baumann, Helmut: "Instandsetzung der Brücke General Rafael Urdaneta über den Maracaibo-See"; Deutscher Betonverein (1983)
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© Dipl.Ing. Bernd Nebel