Jochbrücken, Röhrenbrücken, Gitterträger, Fachwerkträger
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Die "Clapper Bridge" bei Postbridge im Nationalpark Dartmoor (England) ist eine der eher seltenen Balkenbrücken aus Naturstein. Wahrscheinlich wurde sie im 14. Jahrhundert errichtet. © Bernd Nebel |
Jahr | Bauwerk | Ort | Spann- weite |
Typ | Material | Beteiligte |
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1857 | Weichselbrücke | Dirschau | 131 m | Gitterträger | Schweißeisen | Carl Lentze |
1857 | Nogatbrücke | Marienburg | 101 m | Gitterträger | Schweißeisen | Carl Lentze |
1857 | Isarbrücke | Großhesselohe | 52 m | Linsenträger | Schweißeisen | F.A. von Pauli |
1858 | Kinzigbrücke | Offenburg | 63 m | Gitterträger | Schweißeisen | Carl Ruppert |
1859 | Dombrücke | Köln | 103 m | Gitterträger | Schweißeisen | Hermann Lohse Friedrich W. Wallbaum |
1860 | Rheinbrücke | Waldshut | 55 m | Gitterträger | Schweißeisen | Robert Gerwig |
1861 | Rheinbrücke | Kehl | 59 m | Gitterträger | Schweißeisen | Franz Keller |
1864 | Altrheinbrücke | Griethausen | 100 m | Gitterträger | Schweißeisen | Emil H. Hartwich |
1948 / 1980 |
Deutzer Brücke | Köln | 185 m | Hohlkastenträger | Stahl / Stahlbeton |
Gerd Lohmer Fritz Leonhardt |
1960 | Mangfallbrücke | Weyarn | 108 m | Fachwerkträger | Stahlbeton | Gerd Lohmer Ulrich Finsterwalder |
1972 | Moseltalbrücke | Winningen | 218 m | Hohlkastenträger | Stahl | Fritz Leonhardt |
1979 | Kochertalbrücke | Geißlingen | 138 m | Hohlkastenträger | Spannbeton | Peter Bonatz Fritz Leonhardt |
2019 | Hochmoselbrücke | Zeltingen | 210 m | Hohlkastenträger | Stahl |
Ein entwurzelter Baum der über einen Flusslauf gefallen war, sodass er sich zum Überqueren des Wassers eignete, war sicherlich ein Vorbild das leicht nachgeahmt werden konnte. Überall auf der Welt wurden seit Urzeiten in waldreichen Gegenden Balkenbrücken aus Holz gebaut und mehr oder weniger komfortabel gestaltet. Schon mit mehreren Baumstämmen die man nebeneinander legte, konnte man eine bessere Brücke bauen. Mit Querhölzern verbunden und mit Laub oder Sand bedeckt, konnte man ein Bauwerk herstellen, das von Mensch und Tier bequem zu benutzen war und auch eine gewisse Zeit überdauern konnte.
Neben Holzbrücken gibt es aber auch frühe Beispiele für steinerne Balkenbrücken, etwa die sogenannten Clapper Bridges (Klapperbrücken) in Südengland. Allerdings ist die mögliche Spannweite solcher Brücken aus Natursteinen sehr begrenzt, weil dieses Material keine größeren Zugspannungen aufnehmen kann. In statischer Hinsicht beruht die Tragfähigkeit eines Balkens allein auf seiner Biegesteifigkeit, die von der Art und der Menge des Materials sowie dessen Geometrie abhängt. Anders ausgedrückt: der innere Widerstand des Trägers muss groß genug sein, um seine Zerstörung durch seine eigene Masse und die aufgebrachte Verkehrslast zu verhindern.
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Ein Sturm hat einen Baumstamm entwurzelt und bei Ginseldorf über die Ohm geworfen. Dadurch ist eine natürliche Balkenbrücke entstanden, mit deren Hilfe (und etwas Glück) man das andere Ufer trockenen Fußes erreichen könnte. © Bernd Nebel |
Das statische System einer einfachen Balkenbrücke besteht aus einem horizontalen Träger auf zwei Wiederlagern, dem sogenannten "Balken auf zwei Stützen". Die eigene Masse eines solchen Trägers und die aufgebrachte Verkehrslast belasten den Balken, sodass er sich mehr oder weniger verformt (durchbiegt), bis hin zu seiner Zerstörung. Durch die Belastung entstehen an der Oberseite des Balkens Druckspannungen, weil er hier gestaucht wird und an der Unterseite Zugspannungen, weil er hier gedehnt wird.
Materialien die nur geringe Zugspannungen aufnehmen können wie z.B. Naturstein, unbewehrter Beton oder Gusseisen, stoßen bei einem solchen System sehr schnell an ihre Grenzen. Je größter die Spannweite wird, umso massiver muss der Träger ausgebildet werden damit er stabil genug ist die Lasten zu tragen. Bei weiterer Zunahme der Spannweite wird schließlich ein Punkt erreicht, an dem ein Balken schon allein auf Grund seiner eigenen Masse einstürzen würde, ohne dass sich irgendeine Verkehrslast auf ihm befindet. Die Kunst des Brückenbaus besteht im Grunde genommen darin, die geforderte Spannweite sowie die notwendige Tragfähigkeit mit möglichst wenig Material und damit kostengünstig zu erzielen.
Auch aus ganz praktischen Gründen waren Balkenbrücken aus Naturstein in historischer Zeit eher die Ausnahme, denn es gibt nur selten natürlich geformte Steine, die den Anforderungen an ein solches Bauwerk genügen. Außerdem musste die Bearbeitung des Materials und der Transport zur Baustelle mit Muskelkraft bewerkstelligt werden, und war dadurch ausgesprochen mühsam. Bis zur industriellen Herstellung größerer Eisenmengen wurden Balkenbrücken daher vorwiegend aus Holz gebaut, weil es bis dahin das einzige Baumaterial war, das nennenswerten Zugspannungen ausgesetzt werden konnte.
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Das statische System "Balken auf zwei Stützen" mit Flächenlast q (Eigengewicht) und einer zusätzlichen Einzellast P (Verkehrslast). In blau dargestellt der daraus resultierende Verlauf der Biegemomente innerhalb des Balkens. © Bernd Nebel |
Aber auch Balkenbrücken aus Holz stoßen in Bezug auf die erreichbare Spannweite schnell an ihre Grenzen, schon allein durch die Länge der vorhandenen Baumstämme. Theoretisch kann man die Gesamtlänge einer Balkenbrücke beliebig vergrößern, indem man viele solcher "Balken auf zwei Stützen" hintereinander anordnet. Dafür benötigt man aber Zwischenpfeiler, deren dauerhafte Gründung (z.B. in einem Flussbett) eine technische Herausforderung ist, der man nicht zu allen Zeiten gewachsen war. Eine berühmt gewordene Holzbalkenbrücke mit vielen Einzelspannen ließ Julius Cäsar im Jahre 55 v.Chr. (vermutlich bei Neuwied oder Bonn) von seinen Legionären über den Rhein schlagen und wenige Tage später wieder zerstören.
Da Mittelpfeiler nicht immer und nicht überall möglich, außerdem teuer und zeitaufwändig sind, war es immer ein Ziel des Brückenbaus, die Spannweite über die reine Materiallänge der zur Verfügung stehenden Baustoffe hinaus zu vergrößern. Eine der ersten Ideen in dieser Hinsicht war ganz sicher die Auslegerbrücke, die als Weiterentwicklung häufig mit zu den Balkenbrücken gezählt wird. Im Rahmen dieser Internetseite wird die Auslegerbrücke aber als eigenständiger Konstruktionstyp behandelt.
Eine weitere Möglichkeit zur Vergrößerung der Spannweiten im Holzbau war die Anwendung von Hänge- und Sprengwerkkonstruktionen, die auch aus dem Hochbau bekannt sind. Die Strebebalken werden bei beiden Systemen auf Druck beansprucht.
Ein Fachwerkträger ist ein Balken der nicht massiv ist wie etwa ein Baumstamm oder eine Betonplatte, sondern dessen Masse in dünnere Einzelstäbe aufgelöst ist. Da in diesen Stäben entweder reine Druckkräfte oder reine Zugkräfte Außerdem gibt es noch sogenannte "Nullstäbe", die nicht statisch wirksam werden, die aber aus konstruktiven Gründen erforderlich sind. auftreten, lassen sich die komplexen Kraftverläufe innerhalb eines Fachwerkbalkens gut berechnen. Alle Stäbe bilden geschlossene Kraftdreiecke, die in sich stabil sind und dem ganzen Balken seine Tragfähigkeit geben.
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Links: einfaches und doppeltes Hängewerk. Rechts: einfaches und doppeltes Sprengwerk. Bei beiden Systemen werden die diagonalen Streben auf Druck beansprucht. aus: "Technischer Unterricht für die k.u.k. Eisenbahn-Gruppe" (Wien, 1900) |
Schon die Römer verwendeten Holzfachwerke und im Mittelalter gab es bereits theoretische Berechnungsansätze für Fachwerkbrücken aus Holz. Leonardo da Vinci skizzierte 1485 einen parabelförmigen Fachwerkträger aus Holz für eine Drehbrücke. Andrea Palladio veröffentlichte 1570 seine "Vier Bücher zur Architektur", in denen er verschiedene Fachwerksysteme vorstellte. Auch das berühmte Werk "Machinae Novae" von Faustus Verantius aus dem Jahr 1595 enthielt hölzerne Fachwerkbrücken in Parabel- und Linsenform. Trotz dieser theoretischen Ansätze fanden Fachwerke im praktischen Brückenbau zunächst wenig Verwendung. Erst Hans Ulrich Grubenmann errichtete mithilfe komplexer Fachwerkstrukturen mit seinen Brüdern um 1750 in der Ostschweiz weit gespannte Holzbrücken u.a. über den Rhein und die Limmat.
In waldreichen Regionen, wie z.B. den USA, wurden bis weit in das 20. Jahrhundert hinein Fachwerkbrücken aus Holz gebaut, vor allem auch für die Eisenbahn. Ein großes Problem bei diesen Holzbrücken war die Brandgefahr, denn die Dampflokomotiven schleuderten unkontrolliert Funken aus ihren Schornsteinen, die häufig zu Bränden an den Bahndämmen führten. In Deutschland beschlossen die Eisenbahngesellschaften schon 1850 gemeinschaftlich den Ausstieg aus dem Holzbrückenbau.
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Stephensons erste vollwandige 'Tubular Bridge' beim walisischen Conwy Castle. Sie ist gleichzeitig auch die letzte Röhrenbrücke, die noch heute in Betrieb ist. © Bernd Nebel |
Erst durch die Erfindung des Schmiedeeisens rückten Fachwerkbrücken auch in Europa wieder ins Zentrum des Interesses, weil Schmiedeeisen im Gegensatz zum Gusseisen zäh ist und auch auf Zug beansprucht werden kann. Dank der Erfindung des Puddelverfahrens durch Henry Cort war Großbritannien schon Mitte des 19. Jhd. dazu in der Lage, Schmiedeeisen in großen Mengen herzustellen. Cort war es auch, der sich bereits 1783 ein Patent für ein Walzverfahren ausstellen ließ und so die Voraussetzung für die Herstellung großer Bleche schuf. Damit war erstmals die Möglichkeit gegeben, eine Brücke aus zähem Schmiedeeisen zu bauen.
Zur Wahrheit über diese technische Errungenschaft gehört allerdings auch, dass diese keineswegs zuerst für Eisenbrücken angewendet wurden, sondern - wie leider so oft - zunächst einmal militärische Interessen zu bedienen hatte. In einem Land wie England, in dem die Marine eine herausragende strategische Bedeutung hatte, wurde eine Erfindung wie die gewalzten Eisenbleche zunächst einmal für den Bau einer neuen Generation von Kriegsschiffen Die ersten Eisensegler liefen sowohl in England als auch in Deutschland 1838 vom Stapel. verwendet. Das war im Übrigen in Deutschland nicht anders, denn auch hier brachte man zunächst einmal die preußische Marine auf den neuesten Stand.
Es dauerte noch einige Jahrzehnte, bis Robert Stephenson als erster auch die zivilen Chancen dieser Entwicklung aufgriff, um Eisenbahnbrücken aus gewalzten Blechen zu errichten. Seine Idee war es, aus zusammengenieteten Winkelprofilen und Blechstreifen mit aufgekanteten Stegen einen vollwandigen, röhrenförmigen Träger herzustellen, der so steif und stabil war, dass er eine Lokomotive mit ihren Wagen tragen konnte. Im Vorfeld der eigentlichen Bauarbeiten führte Stephenson gemeinsam mit William Fairbairn umfangreiche Versuchsreihen durch, um den optimalen Trägerquerschnitt zu finden. Das Ergebnis war ein rechteckiges Profil, das höher als breit war, durch das die Eisenbahn hindurchfahren sollte.
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Die von Friedrich Busse vorgeschlagene "Blechbrücke", eine Gitterbrücke mit untenliegendem Zugband. Die Eisenbahn sollte auf dem Untergurt fahren, der Straßenverkehr darüber. © Dingler´s Polytechnisches Journal (1846) |
Kurioserweise ist die erste vollendete "Tubular Bridge" in der walisischen Stadt Conwy auch die Einzige, die heute noch erhalten ist und sogar von der Eisenbahn benutzt wird. Sie wurde 1848 eröffnet und war eine Art Prototyp für die wesentlich größere Britanniabrücke, die Stephenson 1850 über der Menai Meeresstraße errichtete. Beide Brücken wurden im Zuge der Eisenbahnlinie zwischen London und Holyhead, dem britischen Fährhafen für Irland, gebaut. Die vier größten Röhren der Britanniabrücke hatten Längen von jeweils 146 m.
Der Materialverbrauch für eine solche Brücke war natürlich enorm. Da kein anderes Land der Welt dazu in der Lage gewesen wäre, Schmiedeeisen in so großen Mengen herzustellen, versuchte man anderenorts eher die Bauweise zu modifizieren. Letztendlich wurden daher weltweit nur fünf vollwandige Röhrenbrücken verwirklicht, die alle von Robert Stephenson gebaut wurden. Zwei davon entstanden in Ägypten, im Zuge der Eisenbahnlinie Kairo - Alexandria, über Teilströme des Nildeltas. Beide Brücken hatten in Strommitte einen großen drehbaren Teil für die Schifffahrt. Da die Röhren etwas geringere Spannweiten hatten als in Wales, entschloss er sich bei diesen beiden Brücken eine wesentlich Änderung vorzunehmen: hier fuhren die Züge auf dem Träger und nicht in seinem Inneren.
Die letzte und größte Tubular Bridge wurde 1859 in Montreal vollendet, wobei Stephenson hier wieder zu den innenliegenden Schienen zurückkehrte. Die Victoria Bridge führte über den St. Lorenzstrom und hatte eine Gesamtlänge von über zwei Kilometern. Ihre Unterbauten sind heute noch vorhanden aber die Röhren wurden schon 1898 durch Fachwerkträger ersetzt.
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Die Eisenbahnbrücke über den Rhein zwischen Waldshut und Koblenz (Schweiz). Der Gitterträger aus dem Jahr 1859 ist der letzte, der in Deutschland heute noch in Betrieb ist. © Herrad Taubenheim |
Die vollwandigen Röhrenbrücken stellten sich aber letztlich als unwirtschaftlich heraus, ganz abgesehen einmal davon, dass die Insassen der Züge eher das Gefühl hatten, durch einen Tunnel zu fahren. Das Prinzip wurde aber weiterentwickelt und blieb - mit deutlich reduziertem Materialverbrauch - einige Jahrzehnte ein häufig verwendeter Brückentyp, vor allem für große Eisenbahnbrücken. Allerdings wurden die Seitenwände und die Oberseite dieser Brücken nun nicht mehr in vollwandiger Bauweise ausgeführt, sondern man fügte die Blechstreifen mehr oder weniger engmaschig zu Fachwerken zusammen. Diese Bauart, bei der die parallele Lage von Ober- und Untergurt charakteristisch ist, nennt man Gitterträgerbrücke. Das Verhältnis zwischen Materialverbrauch und Tragfähigkeit ist bei einer solchen Brücke deutlich günstiger als bei einer vollwandigen Röhrenbrücke.
Carl Lentze war der Erste, der zwei Gitterträgerbrücken praktisch ausführte: die Weichselbrücke in Dirschau und die Nogatbrücke in Marienburg. Beide entstanden in der Zeit von 1851 bis 1857 im Zuge der Eisenbahnlinie Königsberg-Berlin. Allerdings hatte Friedrich Busse, ein Ingenieur der Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Compagnie, die Idee der Gitterbrücken schon 1846 in Dinglers Polytechnischem Journal veröffentlicht. Er schrieb dazu: "Soviel mir bekannt, hat noch Niemand Brücken von Eisenblech oder Flacheisen erbaut. Es gibt kein Material, was im Verhältniß zu seinem eigenen Gewicht eine so große Tragfähigkeit darböte, als dieses, wenn es richtig angewendet wird." Obwohl er dabei sogar noch weitere Innovationen, wie z.B. die übereinanderliegenden Verkehrswege für Schiene und Straße und die Anwendung einen untenliegenden Zugbandes projektierte, blieb sein Brückenträger aus Blechstreifen zunächst weitgehend unbeachtet.
In den Jahren nach Bau der Brücken in Dirschau und Marienburg wurden ähnliche Brücken bei Offenburg über die Kinzig sowie bei Waldshut, Kehl, Griethausen und Köln (Dombrücke) über den Rhein geschlagen. Aber auch in der Schweiz, in Frankreich und Großbritannien fand der Gitterträger Anwendung.
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Grundsätzliche Formen von Fachwerkträgern.
© Bernd Nebel |
Natürlich blieb die weitere Entwicklung der Balkenbrücken aus Eisen auch nicht bei den Gitterbrücken stehen. Das Augenmerk der Ingenieure lag vor allem auf dem Verhältnis zwischen dem eingesetzten Material und der damit erzielbaren Tragfähigkeit. Schon frühzeitig wurden aber auch gewisse Schwächen der Gitterbrücken erkannt. Unter anderem läßt sich ein solcher Träger schlecht berechnen, weil er statisch hochgradig unbestimmt ist.
Man erkannte, dass die gleichmäßige Querschnittshöhe des Trägers nicht optimal ist, weil diese Form nicht dem Kräfteverlauf innerhalb des Balkens entspricht. Bei einem Balken auf zwei Stützen ist das Biegemoment (das versucht den Balken zu zerstören) normalerweise in Feldmitte am größten und im Bereich der Auflager am kleinsten. Es liegt daher nahe, die Mitte des Trägers stärker auszubilden als die seitlichen Bereiche in der Nähe der Widerlager, denn dadurch kann die gleiche Tragfähigkeit mit weniger Material erzielt werden.
Aus diesem theoretischen Ansatz entstand eine ganze Reihe von materialsparenden Trägerformen. Dabei variierte man den Verlauf des Ober- und Untergurts und veränderte auch die Geometrie der Druck- und Zugstäbe in verschiedenen Formen. So entstanden bogen-, parabel- und trapezförmige Trägerformen. Sogenannte Fischbauch- und Linsenträger sind Formen, bei denen auch der Untergurt gekrümmt ist.
Vor der Erfindung des Schweißens wurden die Fachwerkträger meistens vor Ort aus Eisenprofilen mit Nieten zusammengefügt. Allerdings ging man schon frühzeitig dazu über, möglichst große Bauteile oder gleich den ganzen Träger in einer Fabrik oder einer Werkhalle vorzufertigen und am Bestimmungsort zusammenzusetzen. Schon Stephenson hatte die Röhren der Britannia Bridge am Ufer vorgefertigt, im Ganzen zur Baustelle transportiert und dann mit Pressen nach oben befördert. Unter den Bedingungen einer trockenen und warmen Fabrikhalle lässt es sich schneller, genauer und sicherer arbeiten, als bei Wind und Wetter auf der Baustelle, dazu vielleicht auch noch in großer Höhe.
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Die erste Großhesseloher Eisenbahnbrücke aus dem Jahre 1857 bestand aus insgesamt vier Linsenträgern, wobei die mittleren Spannweiten 52 m betrugen. Sie wurde von Friedrich August von Pauli errichtet. Im deutschsprachigen Raum wurde diese Trägerform daher gelegentlich auch als "Pauli-Träger" bezeichnet.
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Für die Gitterträger der Eisenbahnbrücken bei Waldshut und Kehl (1861) errichtete man in der Nähe der Baustelle Werkhallen, in denen die Träger komplett zusammengesetzt wurden. Nach Fertigstellung des Trägers wurden sie mithilfe von Winden und der Muskelkraft vieler Arbeiter an ihren Bestimmungsort transportiert und über die vorbereiteten Pfeiler geschoben.
Durch veränderte Herstellungsprozesse verbesserte sich die Qualität des Stahls fortlaufend. Außerdem führte die neue Schweißtechnik zu leichteren Tragwerken, weil dabei die einzelnen Bauteile aneinandergestoßen werden können. Im Gegensatz dazu müssen sie bei der Niettechnik überlappen und sind dadurch in diesen Bereichen doppelt so stark. Auch die Niete selbst erhöhen in ihrer Summe das Gewicht einer Stahlkonstruktion erheblich.
Einen neuen Innovationsschub erhielten die Balkenbrücken durch die Wiederentdeckung des hydraulischen Zements und die daran anknüpfende Erfindung des Stahlbetons. Besonders die Kombination von Beton und Stahl erlaubte plötzlich Bauwerke, die vorher weder mit Naturstein noch mit Eisen allein möglich gewesen wären. Beton hat ganz ähnliche statische Eigenschaften wie Natursteine, d.h. er kann sehr große Druckkräfte aufnehmen aber nur verhältnismäßig kleine Zugspannungen (Verhältnis 1:10). Der französische Gärtner Joseph Monier ließ sich um 1865 den Eisenbeton (heute Stahlbeton) patentieren, der die Stärken beider Materialien in optimaler Weise kombiniert. Monier erkannte als erster die konstruktiven (und geschäftlichen) Möglichkeiten des Verbundwerkstoffes und löste mit seiner Erfindung eine Art Revolution im Bauwesen aus. Bereits 1873 ließ er sich auch ein Patent für eine Brücke aus eisenbewehrtem Beton erteilen.
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Typischer Querschnitt eines modernen Hohlkastenträgers aus Stahlbeton
© Bernd Nebel |
Ein Träger aus Beton, der im unteren Bereich durch die Einlage von Stahlstäben oder -gittern ("Stahlmatten") verstärkt wird, kann erheblich größeren Belastungen standhalten, als ein reiner Betonbalken. Da die Zugkräfte an der Unterseite des Bauteils vom Stahl aufgenommen werden, muss der Beton nur den Druckkräften standhalten. Im Vergleich zu Stahl ist Beton ein kostengünstigeres Baumaterial und die Stahleinlagen machen nur einen kleinen Teil des Gesamtquerschnitts aus.
Beton ist ein flexibler und vielseitig einsetzbarer Baustoff mit dem man beliebig geformte Bauteile herstellen kann. Aber gerade für Balkenbrücken bietet er sich geradezu an, weil man dafür nur ein horizontales Lehrgerüst benötigt. In diese vorbereitete Schalung kann man den Bewehrungsstahl (oder die Spannstähle) einlegen und den Träger gießen. Für Brücken kleinerer Spannweiten sind Stahlbeton und Spannbeton heute eindeutig die kostengünstigsten Baumaterialien und werden entsprechend häufig verwendet. Mit Abstand die meisten Brücken die wir heute täglich befahren oder begehen sind daher massive Balkenbrücken aus Stahlbeton.
Durch die Einführung der Fachwerkbrücken schien der von Stephenson erfundene vollwandige Röhrenträger schon nach wenigen ausgeführten Exemplaren überholt zu sein. Durch die Fortschritte bei der Stahlerzeugung, die Erfindung des Schweißens und die neuen Möglichkeiten des Betons, erlebte er aber gleich mit zwei verschiedenen Materialien ein Comeback.
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Die Moseltalbrücke bei Winningen (1972) ist die größte deutsche Balkenbrücke, bezogen auf die jeweils größte Feldspannweite. Der Hohlkastenträger besteht aus Stahl und hat eine Höhe von 6 bis 8,5 m. Die größte Spannweite des Durchlaufträgers beträgt 218 m und die Höhe der Fahrbahn über der Mosel 136 m. © Bernd Nebel |
Vollwandige Röhrenträger sind sehr biegesteif und besitzen dadurch eine enorme Tragkraft. Bei großen Spannweiten kommen daher heute wieder Hohlkastenträger zum Einsatz, die entweder aus Spannbeton bestehen oder aus Stahl. Das Querschnittsprofil ist dabei meistens rechteckig oder trapezförmig. Solche Brücken sind im Prinzip direkte Nachfolger von Robert Stephenson's Röhrenbrücken. Heute werden die Verkehrswege - ob Straße oder Schiene - zwar grundsätzlich auf der Oberseite des Trägers angeordnet. Aber auch das hatte Stephenson ja schon bei seinen beiden Brücken über den Nil praktiziert.
Balkenbrücken mit durchlaufenden Querschnitten, die entweder gerade sind oder konstante Radien haben, bieten sich besonders für das Taktschiebeverfahren an. Dies macht den Bauablauf ökonomisch, planbar und somit billiger.
Mit Balkenbrücken aus Beton lassen sich wirtschaftliche Spannweiten bis zu 200 m erzielen, mit Stahl auch über 300 m. Wirkliche Rekorde erzielen Balkenbrücken aber vor allem bei den erreichten Gesamtlängen, die durch die Aneinanderreihung vieler Einzelfelder zustande kommt. Die längsten "Brücken" die heute gebaut werden sind daher im Prinzip aufgeständerte Eisenbahnlinien, die sich nur zum Teil über Wasserflächen befinden. Die längste derartige Brücke ist zurzeit die Hochbahn zwischen Peking und Shanghai. Während der normale Pfeilerabstand mit 80 m eher bescheiden ist, liegt ihre Gesamtlänge bei rund 165 Kilometern.
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