Lupu-Brücke

Shanghai / China

Lupu-Brücke aus der Distanz
Der majestätische Bogen der Lupu-Brücke schwingt sich 100 m hoch über den Huangpu-Fluss. Die Bogenkämpfer und die
kurzen seitlichen Fortsätze des Bogens ruhen auf einem Pfeiler, der sich vollständig unter der Erdoberfläche befindet (siehe auch Skizze unten).
Offizieller Name: Lupu-Brücke
(Luwong-Pudong-Brücke)
Ort: Shanghai
Land: China
Überbautes Hindernis: Huangpu
Konstruktionstyp: Bogenbrücke
Material: Stahl
Bauzeit: 2000 - 2003
Verkehrsart: Straße
Gesamtlänge: 3.900 m
Größte Spannweite: 550 m
Höhe des Bogenscheitels: 100 m
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Für Europäer klang der Name Shanghai jahrhundertelang nach Abenteuern, gefährlichen Segelfahrten und fernen, unbekannten Küsten. Spätestens ab Mitte des 19. Jhd. war der Hafen von Shanghai der wichtigste Ankerplatz Ostasiens. Die Entwicklung der Stadt, zu einer der größten Metropolen der Welt, begann im 20. Jhd. und dauert bis heute an.

Die Hafenstadt Shanghai wird geprägt von der Lage am Fluss Huangpu und dem Mündungsdelta des Jangtsekiang in das Ostchinesische Meer. Sie ist heute das wichtigste Industriezentrum Chinas. Mit ca. 16 Millionen Einwohnern und weiteren 7 Millionen Menschen mit Zweitwohnsitz, ist sie auch eine der bevölkerungsreichsten Städte Chinas und der ganzen Welt. Trotz strenger Reglementierungen für den Zuzug nach Shanghai hat sich die Einwohnerzahl im Großraum der Stadt von 2000 bis 2020 etwa verdoppelt.

Diese Entwicklung ist mit einer enormen Bautätigkeit verbunden, nicht nur für Wohngebäude, sondern insbesondere auch für die Infrastruktur. Der Bau einer sechsspurigen Hochautobahn, der Ausbau des U-Bahnnetzes und die Inbetriebnahme des zweiten internationalen Flughafens im Stadtteil Pudong im Jahr 1999, sind nur die wichtigsten Großprojekte der letzten Jahrzehnte. Die traditionell gute Anbindung Shanghais an das nationale Eisenbahnnetz und der internationale Hafen runden die Verkehrsangebote ab.

Die Stadtplaner hatten zeitweise alle Hände voll zu tun, um bei der Erweiterung von Straßen, öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Strom- und Glasfasernetz, der Telekommunikation, der Wasser- und Gasversorgung sowie bei der Entsorgung des Mülls und des Abwassers, mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten. Zeitweise musste der Stadtplan alle 3 Monate neu aufgelegt werden, weil die City so schnell ihr Aussehen veränderte und ganze Stadtteile und Industrieparks hinzukamen.

Die Stadt wird durch den Fluss Huangpu ungefähr von Norden nach Süden geteilt, der im Norden Shanghais in den Jangtsekiang mündet. Der 'Jangtse' seinerseits mündet 30 km weiter östlich in das Ostchinesische Meer. Bis in die Mitte der 1980er Jahre entwickelte sich Shanghai fast ausschließlich auf der westlichen Seite des Huangpu aber heute sind auch weite Gebiete des östlichen Ufers dicht bebaut.


Shanghai wird zur Stadt der Großbrücken

Verglichen mit dem Jangtsekiang wirkt der Huangpu auf einem Satelitenbild wie ein bescheidenes Rinnsal. Der Fluss hat aber in Shanghai eine Breite von immerhin 500 m und erforderte für die Erschließung der neuen Stadtteile entsprechend lange Brücken und Tunnel. Bereits 1991 wurde die Nanpu-Brücke in Betrieb genommen, 1993 die Yangpu-Brücke und 1997 schließlich die Xupu Brücke. Alle drei sind Schrägseilkonstruktionen, wobei die beiden letztgenannten zu den größten Schrägkabelbrücken der Welt gehören. Die Namen der Brücken folgen einem durchgehenden Prinzip und setzen sich aus den jeweils miteinander verbundenen Stadtteilen zusammen. Das "pu" steht dabei jeweils für den High-Tech-Standort Pudong, am Ostufer.

Querschnitt durch einen der Bögen
Der Querschnitt durch einen der beiden Bögen. Die Höhe
des oberen, hochkant gestellten Kastens variiert von
6,00 m am Bogenscheitel, bis 9,00 m am Bogenfuss.

Mit dem Bau der drei Schrägseilbrücken innerhalb von nur sechs Jahren war der Bedarf an Querungen des Huangpu aber immer noch nicht gedeckt. Parallel zu den Brückenbauten wurden auch vier Tunnel unter dem Fluss hindurchgegraben. Aber schon 1999 begannen auch Vorbereitungen für eine weitere Brücke zwischen den Stadtteilen Luwan und Pudong, die der Systematik entsprechend den Namen Lupu-Brücke erhalten sollte. Im Vergleich zu den drei Schrägseilbrücken war bei dieser Brücke jedoch einiges anders: zum ersten Mal übernahm die Stadt Shanghai die alleinige Verantwortung für den Brückenbau und zum ersten Mal baute man eine Bogenbrücke über den Huangpu.

Aufgrund der Breite des Flusses schien es zunächst eine gewagte Idee zu sein, hier ausgerechnet eine Bogenbrücke zu bauen, denn selbst der zu dieser Zeit größte Bogen der Welt hätte nicht ausgereicht, um die notwendige Spannweite zu überbrücken. Die Wahl des Brückentyps war durchaus umstritten, weil die Bogenbrücke keineswegs die kostengünstigste Alternative war. Zudem ist der Baugrund in Shanghai von geringer Tragfähigkeit und daher gerade für die Schubkräfte einer Bogenbrücke eher ungeeignet. Da sie aber die größte Bogenbrücke der Welt werden sollte, sahen neutrale Beobachter den Grund für diese Entscheidung vor allem in der Schaffung eines Prestigeobjekts für der Stadt Shanghai. Die Entscheidung über die Wahl des Brückentyps oblag zwar einer Kommission aus Experten verschiedener Disziplinen, aber eine öffentliche Diskussion über die Vorschläge und die entstehenden Kosten wurde nicht geführt.


Bauweise und Technik

Die Bauarbeiten dauerten von Oktober 2000 bis Juni 2003 und verschlangen insgesamt 2,25 Milliarden Yuan (ca. 300 Mio. Euro). Für die Finanzierung der Brücke sorgte eine eigens gegründete, private Investmentgesellschaft. Zur Refinanzierung zahlt die Stadt Shanghai von der Inbetriebnahme bis zum Jahr 2028 jährlich 9,7 % der Baukosten an die Gesellschaft zurück. Durch dieses Konzept konnte auf eine Mautgebühr verzichtet werden, was bei Brücken dieser Größenordnung heute eher die Ausnahme ist.

Die größte Bogenbrücke der Welt war bis zur Vollendung der Lupu-Brücke die New River Gorge Brücke bei Fayetteville / USA (Bundesstaat West Virginia). Diese Highway-Brücke ist seit 1977 in Betrieb und hat eine Bogenspannweite von 518 m. Sie besteht aus einem genieteten Stahlfachwerk. In China ging man aber einen anderen Weg: der Bogen besteht aus 27 vollwandigen, vorgefertigten Stahlsegmenten, die vor Ort miteinander verschweißt wurden. Im Grunde genommen handelt es sich um zwei Bögen, die von den Außenkanten des Fahrbahnträgers zur Brückenmitte geneigt sind. An den Fußpunkten haben die Bögen einen Abstand von 51 m, während er am Scheitel nur noch 11 m beträgt.

Das Querschnittsprofil der Bögen ist aus einem Rechteck und einem Trapez zusammengesetzt. Dabei variiert die Höhe des Rechtecks von 6 m am Bogenscheitel bis 9 m an den Fußpunkten. Seine Breite beträgt an der Oberseite konstant 5 m und an der Unterseite nur 3 m. Dadurch wirkt der Bogen vor allem für den Autofahrer schlanker und weniger kantig. Durch die unterschiedliche Höhe und den gleichzeitig variierenden Abstand der beiden Bögen, hatte jedes der 27 Bogenseggmente ganz individuelle Abmessungen.


Die Tradition der Röhrenbrücken

Auch wenn das 6-eckige Profil eher ungewöhnlich ist, bestehen die Bögen letztlich aus Röhren. Die Eignung und Verformungssteifigkeit von Röhrenprofilen, seien sie nun rund, quadratisch oder eben 6-eckig, war spätestens seit Robert Stephensons Versuchen vor dem Bau der Britannia Bridge (1890) bekannt. Seine "Tubular Bridges" waren der Anfang einer Entwicklung die bis heute anhält, nicht nur in Stahl, sondern auch mit Stahlbeton. Röhrenprofile kannte man auch schon vom Bau der Eisenbahnbrücke über den Firth of Forth in Schottland. Auch Doppelbögen aus Röhrenprofilen hatte man schon ausgeführt, z.B. 1960 beim Bau der Almöbrücke über den Akerofjord in Schweden. Allerdings hatte man damals noch relativ kleine Stahlbleche direkt am Bestimmungsort vernietet, während bei der Lupu-Brücke sehr große vorgefertigte Segmente miteinander verschweißt wurden.

Der Bogen mit den Türmen
Der Bogen in der Seitenansicht und einer der portalartigen
Türme für die Aufzüge.

Da ein Bogen sich selbst erst nach dem Einsetzen des "Schlusssteins" tragen kann, verwendete man traditionell ein Traggerüst, das man nach der Vollendung des Bogens wieder abbauen konnte. Bei der Lupu-Brücke montierte man den Bogen aber im "Freien Vorbau". Dafür errichtete man auf beiden Uferseiten Stahlskeletttürme, von denen die angeschweißten Bogensegmente mit Stahlseilen abgespannt wurden, bis der Bogen geschlossen war. Ein wesentlicher Vorteil dieses Verfahrens ist die Freihaltung Lichtraumprofils unter der Brücke für die Schifffahrt. Die Bogensegmente wurden in einem Werk am Ufer vorgefertigt, mit Lastkähnen zur Baustelle transportiert und mit einer fahrbaren Hebevorrichtung, die sich an der Spitze des auskragenden Bogenstücks befand, nach oben gezogen.

In der Frontalansicht der Brücke erkennt man, dass der Bogen auf beiden Seiten eine Art spiegelbildlicher Fortsetzung findet, die ein jeweils 100 m langes Seitenfeld bildet. Da der eigentliche Bogen eine Spannweite von 550 m hat, beträgt die Gesamtlänge des zentralen, vollständig aus Stahl bestehenden Abschnitts über dem Huangpu, 750 m. Im Gegensatz zu den meisten Bogenbrücken wurde der Träger weder auf, noch unter dem Bogen angeordnet. Vielmehr durchschneidet die Fahrbahn den Bogen in einer Höhe von 50 m über dem Wasserspiegel. Das ist genau die Mitte des Bogens, denn dessen Scheitel liegt 100 m über dem Normalwasserstand des Huangpu. Der Fahrbahnträger ist daher im mittleren Abschnitt auf einer Länge von ca. 400 m mit Stahlkabeln an dem Bogen aufgehängt, während er in den äußren Abschnitten aufgeständert ist.


Dimensionen des Gesamtprojekts

Die Stahlkonstruktion mit den Seitenfeldern wird auf beiden Seiten portalartig durch Doppeltürme eingefasst, in denen u.a. Aufzüge untergebracht sind. So können Fußgänger das hoch gelegene Brückendeck erreichen und von dort aus weiter über 367 Treppenstufen zu einer auf dem Bogenscheitel gelegenen Aussichtsplattform gelangen. Diese Touristenattraktion wurde 2006 im Vorfled der EXPO 2010 ergänzt. Ähnlich wie bei der Harbor Bridge in Sydney, kann man also auch in Shanghai "Bridge Climbing" betreiben.

Der zentrale Bogen mit den beiden Nebenfeldern über dem Huangpu war aber nur ein Teil des gesamten Verkehrsprojekts. Da die 6-spurige Autobahn den Fluss in einer Höhe von 50 m über dem Wasserspiegel quert, waren entsprechend lange Zufahrtsrampen erforderlich. Da diese zum Teil über dicht bebautem Gebiet angelegt werden mussten und auch die Steigung nicht zu groß werden sollte, erstreckt sich die Gesamtlänge der Brücke auf 3.900 m.

Nach ihrer Vollendung im Februar 2003 wurde die Brücke zunächst einer umfassenden Belastungsprobe unterzogen. Dabei ließ man 36 beladene LKW mit einem Gesamtgewicht von 1000 Tonnen (1 Million Kilogramm) über die Brücke fahren. Die maximale Durchbiegung in Brückenmitte betrug 116 mm und lag damit innerhalb der tolerierbaren Grenzen. Mit dem Tage ihrer Eröffnung war sie mit ihrer Spannweite von 550 m die größte Bogenbrücke der Welt. Dieser Titel wurde ihr allerdings inzwischen streitig gemacht, blieb aber in China. Die Chaotianmen-Brücke über den Jangtsekiang wurde 2009 vollendet und hat eine um 2 m längere Spannweite.


Kein Ende der Entwicklung in Sicht

Im Jahr 2010 fand in Shanghai die internationale Weltausstellung "EXPO 2010" statt. Dabei befand sich die Lupu-Brücke inmitten des Ausstellungsgeländes, das man auf beiden Seiten des Huangpu angelegt hatte.

Mit der Inbetriebnahme der Lupu-Brücke war die Expansion Shanghais aber bei weitem noch nicht an ihrem Ende angelangt. Im Jahr der Inbetriebnahme der Lupu-Brücke wurden auch zwei weitere Tunnel unter dem Huangpu fertig gestellt. Am 08.06.2003, also noch im gleichen Monat in dem die Lupu Brücke dem Verkehr übergeben wurde, erfolgte die Grundsteinlegung für das Brückenprojekt über die Hangzhou-Bucht. Die Brücke über die Hangzhou-Bucht hatte nach ihrer Fertigstellung die größte Gesamtlänge weltweit. Inzwischen wurde aber auch dieser Rekord gebrochen. Die Jiaozhou Bay Bridge, natürlich ebenfalls in China, wurde 2018 eroffnet. Diese Autobahnbrücke hat eine Gesamtlänge von 36 Kilometern und wurde 2008 eröffnet. Sie verbindet Shanghai mit der Millionenstadt Ningbo. Dazwischen liegt die Mündung des Jangtsekiang, bzw. das Ostchinesische Meer.

Zweifellos wird China auch in den kommenden Jahrzehnten mit weiteren Großbrücken von sich reden machen. Und sicher wird China - nicht nur auf diesem Gebiet - für lange Zeit das Mass aller Dinge bleiben.

Quellen: Interne Links:
  • Wai-Fah Chen: "Bridge Engineering Handbook" [USA 2014]
  • David J. Brown: "Brücken - Kühne Konstruktionen über Flüsse, Täler, Meere" [München
  • L.J.H. Ellis: "Critical Analysis Of The Lupu Bridge In Shanghai" [Paper, University of Bath]
  • https://structurae.net/de/bauwerke/lupu-bruecke


www.bernd-nebel.de

© Dipl.Ing. Bernd Nebel