Belastungsproben im Brückenbau

Probebelastung, Belastungstest



Die Eisenbahnbrücke über den Chärstelenbach bei Silenen / Amsteg in der Schweiz (Kanton Uri).
Während der Belastungsprobe im Jahre 1882 befinden sich fünf Lokomotiven plus Wagen auf der Brücke.

Die Durchführung von Belastungsproben war im Brückenbau lange Zeit obligatorisch. Insbesondere die Verwendung des Eisens und die Einführung neuer statischer Systeme, wie z.B. Hängebrücken, verlangten vor der eigentlichen Verkehrsfreigabe einen praktischen Nachweis der berechneten Tragfähigkeit.

Eine Brücke zu bauen war zu allen Zeiten eine der wichtigsten aber auch eine der schwierigsten Herausforderungen des Bauwesens. Für mutige Baumeister gab es im Brückenbau stets die Gelegenheit, technisches Neuland zu betreten oder eine Rekordbrücke zu bauen. Entsprechender Bedarf war immer vorhanden, denn es gab überall Orte, an denen man schon lange auf die Möglichkeit gewartet hatte, eine Brücke über einen bisher unüberwindbaren Fluss, eine breite Schlucht oder einen tosenden Meeresarm zu bauen.

Belastungsprobe der Eisenbrücke in Laasan / Schlesien,
der ersten gusseisernen Brücke auf dem europäischen Kontinent

Im Brückenbau wurden daher alle Erkenntnisse der Mathematik, der Statik, der Baustoffkunde und alle neuen Techniken und Fertigungsverfahren umgehend in die Praxis einbezogen. Bei der Umsetzung der o.g. Wissenschaften kam dem Brückenbau daher immer eine Vorreiterrolle zu, was auf der anderen Seite natürlich auch Risiken barg.

Bis in das industrielle Zeitalter hinein wurde von den damaligen Baumeistern kaum im heutigen Sinne "dimensioniert". 1 Im historischen Brückenbau wurden die Bauteile meist aufgrund von mündlichen Überlieferungen und persönlichen Erfahrungen der jeweiligen Baumeister "bemessen". Man benutzte traditionelle Verfahren und Werkstoffe von denen man aber nur ungefähr wusste, bis zu welcher Grenze man ihnen vertrauen konnte. Während aus einem verständlichen Sicherheitsbedürfnis heraus viele dieser Brücken aus heutiger Sicht überdimensioniert waren, gab es auf der anderen Seite aber auch immer wieder Beschädigungen und Brückeneinstürze durch Überbeanspruchung des Baumaterials.


Materialprüfungen schon vor dem Einbau

Um Unfälle oder Überlastungen im Betrieb zu vermeiden, führten vorsichtige Baumeister auch schon bei Balkenbrücken aus Holz oder Bogenbrücken aus Stein Belastungsversuche durch, bevor sie die allgemeine Benutzung erlaubten. Zur Regel wurden die Probebelastungen aber erst, als man die altbewährten Bauweisen verließ und sich neuen Materialien und wenig erprobten statischen Systemen zuwandte. Insbesondere mit der Verwendung des Eisens sowie durch die Verbreitung von Hänge- und Schrägseilkonstruktionen wurde die abschließende Belastungsprobe obligatorisch. Für Hängebrücken gab es anfangs kaum Erfahrungen und die ersten Systeme wiesen große statische Unterschiede auf. Bei Verwendung von Eisen hatte man bis Ende des 19. Jhd. ohnehin mit großen Qualitätsschwankungen zu rechnen, selbst wenn das Material nur von einer einzigen Hütte geliefert wurde. Es gab erhebliche regionale Unterschiede in Bezug auf die Eisengüte, die teilweise auf das verwendete Erz zurückzuführen waren, manchmal aber auch auf die nicht standardisierten Produktionsbedingungen.

Gerade beim Bau der ersten Hängebrücken führten umsichtige Baumeister daher an den gelieferten Eisenstangen Biege- und Zugversuche durch, bevor sie eingebaut wurden. Auch für diese Versuche gab es keine festen Regeln und schon gar keine Maschinen, mit denen man sie durchführen konnte. Die Baumeister waren daher meistens gezwungen, solche Geräte zunächst einmal selbst zu entwickeln. 2

Historische Akten und Presseartikel belegen immer wieder das große Interesse das die Bevölkerung dem Bau neuer Brücken entgegenbrachte und gelegentlich sogar durch kostenlose Hilfsleistungen oder Spenden unterstützte. Meistens setzten die Menschen große Hoffnungen in eine neue Brücke und entsprechend interessiert verfolgte man das Geschehen auf der Baustelle. Von einer neuen Brücke versprach man sich kürzere Reisezeiten in andere Regionen, einen größeren Aktionsradius für Jagd, Landwirtschaft, Gewerbe und Freizeit. In den meisten Fällen eröffnete sich auch die Chance auf neue Kunden für Gasthäuser, Mühlen, Handwerker und Händler.


"Zur Beruhigung der Laien"

So manches Bauwerk, zumal wenn es sich um neuartige Systeme wie Gusseisenbrücken oder Hänge- und Schrägseilkonstruktionen handelte, erregte aber auch das Misstrauen der Bevölkerung und späteren Nutzer. Je ungewöhnlicher und moderner eine neue Brücke erschien und je mehr sie von den herkömmlichen Vorstellungen eines sicheren Überganges abwich, umso kritischer waren die Menschen in der Regel auch. Häufig war es für die Baumeister nach der geglückten Vollendung einer Brücke daher von besonderer Bedeutung, der Bevölkerung die Angst vor der Benutzung des Bauwerkes zu nehmen. Eine gute Gelegenheit dafür war die Belastungsprobe, bei der sich jeder mit eigenen Augen von der Tragfähigkeit der neuen Brücke überzeugen konnte. Als es unter Fachleuten 1892 zu Meinungsverschiedenheiten über den Sinn oder Unsinn von Belastungsproben kam, urteilte der bekannte Brückenbauer Wilhelm Ritter: "Belastungsproben sind immer durchzuführen, schon um die Laien zu beruhigen". 3

Dieser zweite Aspekt der Belastungsprobe hatte zeitweise die gleiche Bedeutung wie die reine Feststellung der tatsächlichen Tragfähigkeit. Aus diesem Grunde musste die ganze Veranstaltung auch für Laien leicht verständlich sein. Die Zuschauer sollten den Ablauf gut verfolgen können und vor allem musste die Probelast, die ja sozusagen die Hauptrolle spielte, in einer anschaulichen Art und Weise dargestellt werden. Besonders gut eigneten sich dafür Fahrzeuge oder Gegenstände, deren Gewicht man im Publikum wohl einzuschätzen wusste. Aus diesem Grund wurden häufig Geschützkanonen, Sandsäcke und später auch voll beladene Baufahrzeuge, Dampfwalzen und Lokomotiven verwendet. In Weinbauregionen kamen mit Vorliebe Weinfässer zum Einsatz, die man im leeren Zustand auf die Brücke rollte, gleichmäßig auf der Fahrbahn verteilte und dann befüllte. Um kein unnötiges Risiko einzugehen, verwendete man natürlich keinen Wein, sondern Wasser, das man aus dem Fluss nach oben pumpte.

Die erste Aufgabe für den Veranstalter einer Belastungsprobe - das war normalerweise der Baumeister - bestand darin, zunächst einmal möglichst viele Menschen zu einer solchen Veranstaltung anzulocken. Es musste also ein gewisser Unterhaltungswert versprochen werden und natürlich wurden auch die örtlichen Tageszeitungen eingeladen, denn sie sollten ja später von dem großartigen neuen Bauwerk berichten. Besonders auf Sicherheit bedachte Baumeister ließen der offiziellen Belastungsprobe "in aller Stille" schon einen nichtöffentlichen Test vorausgehen um an dem großen Tag keine böse Überraschung zu erleben. Meistens fand unmittelbar nach der überstandenen Belastungsprobe die feierliche Einweihung der Brücke statt, sodass sich anschließend alle ermutigten Zuschauer zum ersten Mal selbst auf die Brücke wagen konnten.

Je nach Bedeutung der Brücke wurde zu einer solchen Veranstaltung häufig auch ein kulturelles Rahmenprogramm auf die Beine gestellt, mit Musik, offiziellen Reden, Gastronomie und Feuerwerk. Gelegentlich arteten solche Veranstaltungen sogar in richtige Volksfeste aus, bei der die Ordnungskräfte schon am ersten Tag alle Hände voll zu tun hatten, um die Sicherheit auf der neuen Brücke zu gewährleisten.


Keine Vorgaben für den genauen Ablauf

Die Autobahnbrücke über die Mosel bei Winningen.
Belastungsprobe mit voll beladenen Lastwagen (1972).

Vor der Einführung nationaler Normen existierten für den genauen Ablauf einer Belastungsprobe keine einheitlichen Vorschriften. Also z.B. welche Last in welcher Form und an welchen Stellen der Brücke aufzubringen war und wie lange die Brücke dem standhalten musste. Vielmehr war es dem Baumeister selbst überlassen, in Absprache mit dem Auftraggeber der Brücke den Ablauf festzulegen. Der Bauherr musste schon deshalb mit eingebunden werden, weil mit der bestandenen Belastungsprobe auch die Verantwortung für das Bauwerk vom Auftragnehmer auf den Auftraggeber überging (sogenannte Bauabnahme).

Vom Grundsatz her war bei einer Belastungsprobe auf die Oberfläche des Brückenträgers ein Gewicht aufzubringen, das größer sein sollte, als die Summe der größten im Normalbetrieb zu erwartenden Beanspruchungen aus Eigenlast, Verkehrslast und ggf. auch Wind- und Schneelast. Die Anordnung der Lasten war so zu wählen, dass möglichst der ungünstigste statische Fall abgebildet wurde. In diesem Zustand waren dann die vorgesehenen Messungen am Bauwerk durchzuführen. Während diese Messungen später weit komplexer ausfielen, beschränkte man sich bei der Prüfung der ersten Hängebrücken vor allem auf die maximale Durchbiegung des Trägers und seltener auch auf die festgestellten Vibrationen.

Gewissenhafte Baumeister erkannten, dass es gerade bei Hängebrücken besser war, die Last nicht einfach auf der Brücke abzulegen (statische Last), sondern eine bewegliche (dynamische) Belastung zu erzeugen. Dazu verwendete man entsprechende Fahrzeuge oder man belud Lastkraftwagen mit schwerem Baumaterial und bewegte sie in verschiedenen Anordnungen und Geschwindigkeiten über die Brücke.

Bei der Belastungsprobe der Kettenbrücke im schlesischen Malapane (1827) hatte man aber eine ganz andere Idee, um eine möglichst 'lebensechte' Kraft zu erzeugen: "Es ist daher zu diesem Zweck so viel Rindvieh zusammengetrieben worden, als aus dem hiesigen Ort und den benachbarten Colonien Hüttendorf und Antonia hat zusammengebracht werden können, 75 Stück an der Zahl, die zusammen über die Brücke so getrieben worden sind, daß die ganze von der Brücke dargebotene Fläche voll war. […] Die Schwankung ist zwar sehr bedeutend geworden, vorzüglich aber dadurch, daß das Vieh zu schnell in Trab getrieben wurde, wodurch aber gerade die härteste Prüfung entstanden ist." 4

Es sind allerdings auch Fälle bekannt, bei denen zwar eine Belastungsprobe durchgeführt und auch bestanden wurde, die Brücke aber trotzdem schon wenig später einstürzte. Als Ursache stellte sich dann häufig heraus, dass es im Betrieb zu einer außergewöhnlichen, für den Baumeister nicht vorhersehbaren Belastung des Trägers gekommen war. Häufig verstieß die ungleichmäßige Belastung auch gegen die aufgestellte "Brückenordnung", die eigentlich vom Brückenschreiber oder dem Zolleinnehmer überwacht werden sollte. Diese Beamten waren mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet und hatten neben dem Einnehmen der Gebühr dafür zu sorgen, dass es zu keiner Überlastung auf der Brücke kam.

Ein solcher Fall war z.B. der Einsturz der Nienburger Saalebrücke am 6. Dezember 1825, bei dem über 50 Menschen ums Leben kamen. Bei einer volksfestartigen Veranstaltung war die Kettenbrücke sehr ungleichmäßig und in unerlaubter Weise belastet worden. Kurz vor dem Einsturz drängten sich über 300 Schaulustige auf einem Viertel der Brückenfläche, während der Rest der Fahrbahn praktisch leer war. Außerdem hatten einige jugendliche Teilnehmer der Veranstaltung offenbar versucht, den Überbau mit voller Absicht in Schwingungen zu versetzen.

Der Baumeister der Brücke, Gottfried Bandhauer, hatte nur drei Monate vorher mehrere Belastungstests durchgeführt und dadurch die von ihm verbürgte Tragfähigkeit nachgewiesen. Dabei hatte er einen schweren Bauwagen mit einer genau berechneten Menge von Ziegelsteinen beladen und diesen mehrfach über die Brücke fahren lassen. Der anwesenden Menschenmenge hatte er sein Vertrauen in die Brücke demonstriert, indem er dem schweren Wagen jedes Mal auf seinem Dienstpferd vorweg ritt und dabei gleichzeitig mit ihm auf der Brücke war.


"Nicht bestanden": fehlgeschlagene Belastungsproben

Der offizielle Charakter und die rechtliche Bedeutung der Probebelastung machten die Anfertigung eines amtlichen Protokolls erforderlich. Dieses wurde von einem Juristen oder einer neutralen "Amtsperson" angefertigt, die mit dem eigentlichen Brückenbau nichts zu tun hatte. Die verwendeten Lasten wurden vermessen und gewogen und die Übereinstimmung mit der vorgegebenen Prüflast bescheinigt. Anschließend wurde die Durchbiegung im ungünstigsten Lastfall gemessen. Als dies technisch möglich war, dokumentierte man den Ablauf der Probe und insbesondere auch die verwendeten Lasten zusätzlich durch Fotos.

Die Brücke über die Rhone bei Givors / Frankreich.
Ihr Fahrbahnträger stürzte während der Probebelastung 1837 ein

Vor der Einführung moderner statischer Berechnungsverfahren war die Belastungsprobe ein wirklicher Test für das Bauwerk, bei dem es seine Tragfähigkeit unter Beweis stellen musste. Es ist daher nicht weiter erstaunlich, dass die Probebelastung gelegentlich auch mit dem Einsturz des Objektes endete. Als man 1837 beim französischen Givors gerade die Probelast auf die Fahrbahn der neuen Hängebrücke über die Rhone aufbrachte, stürzte diese unvermittelt ein. Dabei kamen sechs Arbeiter ums Leben. Die damals in Frankreich übliche Vorgehensweise bestand darin, auf jeden Quadratmeter der Fahrbahn eine Last von 200 kg aufzubringen, was man in Givors durch gleichmäßiges Verteilen von Schotter erreichte. Diese Belastung war über 24 Stunden aufrecht zu erhalten und anschließend die Durchbiegung in Trägermitte zu messen. 5 Die Brücke bei Givors wurde nach dem Einsturz verstärkt wieder aufgebaut und existiert noch heute.

Dieses Verfahren übernahm man 1853 auch bei der Drahtkabelbrücke über die Rhone im schweizerischen Peney (nähe Genf). Das vorgeschriebene Gewicht von 200 kg/m² sollte hier mittels gefüllter Sandsäcke aufgebracht werden. Der mit der Prüfung beauftragte General und Ingenieur Guillaume-Henri Dufour hatte ausgerechnet, dass insgesamt 1475 Säcke mit einem durchschnittlichen Gewicht von 82 kg auf der Brücke verteilt werden sollten. Nachdem erst 80 % der Säcke auf der Fahrbahn lagen, stürzte die Brücke ohne jegliche Vorwarnung ein. Später wurde behauptet, die Sandsäcke hätten sich durch starken Regen vollgesogen und dadurch ihr Gewicht erheblich vergrößert. Das stimmte aber nicht, denn nach den zeitgenössischen Berichten wurden die Sandsäcke bereits in durchnässtem Zustand gewogen. Die eigentliche Ursache für den Einsturz war ein gebrochenes Rollenlager an einer der Pylonspitzen über das die Drahtseile liefen. Dieses wurde durch den Bruch so scharfkantig, dass es die Kabel förmlich zerschnitt und so den Träger zum Einsturz brachte. Bei dem Unglück soll es 27 Todesopfer gegeben haben. 6

Auch im westfranzösischen Saintes (Département Charente-Maritime) stürzte am 17. Juni 1841 eine Hängebrücke mit Drahtseilen während der Belastungsprobe ein. Bereits während der Bauarbeiten hatte es immer wieder Kritik an dem Bauwerk und dem sorglosen Vorgehen des Bauunternehmers gegeben. Bei der Belastung des Trägers, die hier durch Pflastersteine aufgebracht wurde, weigerten sich einige Arbeiter aus Angst die Brücke zu betreten und die Steine dort abzulegen. Um die Sache zu einem Ende zu bringen, versuchte der Bauunternehmer seine Arbeiter zu ermutigen, indem er während des weiteren Belastungsvorganges selbst auf der Brücke blieb. Diesen beherzten Einsatz hätte er beinahe mit dem Leben bezahlt. Als erst 20 % der berechneten Probelast aufgebracht war, stürzte die Brücke unvermittelt in sich zusammen. Der Bauunternehmer und mehrere Arbeiter konnten schwer verletzt aus der Charente geborgen werden. 7


Belastungsproben heute

Die Belastungsprobe des "Blauen Wunders" in Dresden scheint ebenfalls eine beeindruckende Veranstaltung gewesen zu sein. Da die eigentümliche Eisenkonstruktion weder eine Ausleger- noch eine gewöhnliche Hängebrücke ist, gab es aufgrund der Neuartigkeit des Systems durchaus Vorbehalte gegen ihre Stabilität. Man war also sehr darauf gespannt, ob die Baumeister Köpcke und Krüger ihre Versprechungen einhalten konnten. Am 11. Juli 1893 hatten sich schon morgens um 9 Uhr Tausende von Schaulustigen an den Ufern der Elbe versammelt um dem Schauspiel beizuwohnen. Sie waren nicht umsonst gekommen, denn ihnen wurde einiges geboten: drei von Pferden gezogene Dampfwalzen, drei weitere Straßenwalzen, drei mit Steinen und Schiffsankern beladene Straßenbahnwagen einschließlich Pferdegespann, drei Wassersprenger der Feuerwehr, ein vollbesetzter zweispänniger Pferdebahnwagen und mehrere Kutschen bezogen nach und nach auf der Brücke Stellung. Schließlich durfte noch ein Jägerbataillon aus der Dresdner Kaserne und jedermann der dies wünschte, die Brücke passieren. 8

Nicht nur im Brückenbau verlor die Belastungsprobe schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem durch exaktere statische Berechnungsverfahren erheblich an Bedeutung. Auch die Entwicklung hochwertiger Stahlsorten und verbesserte Herstellungsprozesse, an deren Ende genormte und in ihrer Qualität verlässliche Baustoffe standen, haben dazu beigetragen, dass immer seltener Belastungsproben durchgeführt wurden. Erst Recht im Zeitalter hochkomplexer und computergestützter Berechnungsverfahren, die in unglaublicher Geschwindigkeit ablaufen und dennoch Tage dauern können, vertraut man im Allgemeinen auf die berechnete Tragfähigkeit und spart sich eine kostspielige Probebelastung. Dieses Vertrauen ist inzwischen auch in der Gesellschaft angekommen, sodass man heute auch nicht mehr "die Laien beruhigen" muss, wie es Ritter einst formulierte.

Ab 1956 sah die für den deutschen Brückenbau wichtige Norm DIN 1045 die Durchführung einer Probebelastung nur noch für "zweifelhafte Fälle" vor, was immer damit auch gemeint sein mag. In der Ausgabe der Norm von 1978 wird sie überhaupt nicht mehr erwähnt. Heute werden Probebelastungen fast nur noch dann durchgeführt, wenn der Auftraggeber dies ausdrücklich verlangt und er auch bereit ist, die entsprechenden Kosten zu tragen. Probebelastungen waren übrigens nie billig, selbst wenn sie zufriedenstellend verliefen und das Bauwerk nicht nachgebessert werden musste.

1 Unter Dimensionierung versteht man Methoden und Berechnungsverfahren, mit denen man aus der zu erwartenden Belastung des Eigengewichtes und der Verkehrslast die erforderliche Stärke und Anordnung des Baumaterials ermittelt. Die zugehörigen Wissenschaften nennt man heute Statik und Festigkeitslehre.

2 so z.B. Wilhelm von Traitteur in St. Petersburg, Gottfried Bandhauer in Köthen und Johann Wilhelm Lossen in Nassau / Lahn

3 Konrad Stamm: "Brückeneinstürze und ihre Lehren", Zürich 1952

4 Actum Malapane vom 26. September 1827, veröffentlicht in "Die ersten Ketten- und Drahtseilbrücken" von Ernst Werner, VDI-Verlag Düsseldorf, 1973

5 Allgemeine Bauzeitung Wien, Jahrgang 1837, Seite 117

6 Allgemeine Bauzeitung Wien, Jahrgang 1854, Seite 33 u.a.

7 Der Adler, Jahrgang 1841, Nr. 156

8 Belastungsversuche an bestehenden Bauwerken - Geschichtliche Entwicklung und derzeitige Praxis, von Guido Bolle und Gregor Schacht

Quellen:
  • Guido Bolle und Gregor Schacht: "Belastungsversuche an bestehenden Bauwerken - Geschichtliche Entwicklung und derzeitige Praxis", Berlin 2010
  • Conrad Stamm: "Brückeneinstürze und ihre Lehren", Zürich 1952
  • Joachim Scheer: "Versagen von Bauwerken - Band 1: Brücken", Berlin 2000
  • Dietrich Conrad: "Claus Köpcke, Bauingenieur und Wissenschaftler", Dresden 2010
  • u.a.
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© Dipl.Ing. Bernd Nebel