Aquädukte

Kanalbrücken, Trogbrücken, Wasserleitungen



Der Pont Canal über die Loire in Briare / Frankreich mit beidseitigen Treidelwegen.
Die Kanalbrücke für die Schifffahrt wurde 1896 unter Mitwirkung der Eisenbaufirma
Gustave Eiffels gebaut. Die Wasserrinne ist auf der Brücke 6,20 m breit und 2,20 m tief.

Ein Aquädukt ist eine ganz besondere Brücke, denn mit seiner Hilfe wird fließendes Wasser durch eine Rinne über ein Tal geführt. Für Aquädukte gibt es zwei technische Anwendungsbereiche mit ganz unterschiedlichen Anforderungen: die Wasserversorgung und die Kanalschifffahrt.

Das lateinische Wort 'Aquaduct' bezeichnet streng genommen eine Wasserleitung, aber im Allgemeinen wird mit diesem Begriff ein Bauwerk bezeichnet, mit dem ein wasserführender Kanal über ein Tal geführt wird. Sofern sich an dessen tiefstem Punkt ein Fluss befindet, kreuzen sich durch ein Aquädukt1 Wasserläufe, was in der Natur sonst nicht vorkommt.


Aquädukte für die Wasserversorgung

Die ersten Aquädukte sollen um 1250 v.Chr. von Ramses dem Großen zur Wasserversorgung ägyptischer Städte angelegt worden sein. Aber auch im heutigen Iran, in Assyrien und in Griechenland entstanden antike Wasserleitungen die teilweise über große Strecken geführt wurden. Eine berühmte historische Wasserleitung lies der assyrische König Sanherib im 7. Jhd. v.Chr. im heutigen Irak bauen. Auf einer Länge von 55 km wurde ein ganzer Fluss umgeleitet, um die Stadt Ninive mit Wasser zu versorgen. Dabei war ein Wadi2 im Weg, das mit der ersten verbürgten Wasserleitungsbrücke gekreuzt wurde, dem 'Aquädukt von Jerwan'.

Rekonstruktionsversuch des Aquädukts von Jerwan im heutigen Irak (7. Jhd.v.Chr.)

Aber wie bei so vielen anderen technischen Errungenschaften stießen die Römer auch bei der Wasserversorgung in neue Dimensionen vor. Ausgerüstet mit einfachen Vermessungsgeräten wie dem Chorobat und der Groma3 bauten die Römer kilometerlange Wasserleitungen, deren Präzision noch heute in Erstaunen versetzt.

Das unverkennbare Merkmal jedes natürlichen oder künstlichen Wasserlaufs ist das Gefälle, das letztendlich die Fließrichtung bestimmt. In technischer Hinsicht handelt es sich bei allen hier besprochenen Kanälen daher um 'Freispiegelleitungen'4. Bei einem feststehenden Höhenunterschied zwischen Quelle und Versorgungsgebiet ist das zur Verfügung stehende Gefälle umso geringer, je länger die Wasserleitung wird. Das Gefälle einer solchen Leitung verlangte größte Präzision bei der Bauausführung, denn von ihm hing letztlich die Qualität und Zuverlässigkeit der Wasserversorgung ab.

Das Gefälle des Gerinnes beeinflusst vor allem die Fließgeschwindigkeit und damit die transportierte Wassermenge. Je größer das Gefälle, umso mehr Wasser fließt in der Rinne, was natürlich ein wünschenswerter Aspekt ist. Andererseits wurde aus ökonomischen Gründen durchaus eine kleinere Fließgeschwindigkeit angestrebt. Große Fließgeschwindigkeiten führen zu hohen Schleppspannungen, vermehrtem Abrieb in der Leitung und beim "Abbremsen" des Wassers am Ziel zu zerstörerischen Erosionen.

Der römische Baumeister Vitruv empfahl daher für Wasserleitungen ein optimales Gefälle von 0,5%, was einem Höhenunterschied von fünf Metern pro Kilometer Leitungslänge entspricht. Es gibt aber auch römische Wasserleitungen, bei denen die Techniker mit einem Gefälle von nur 1‰ oder noch weniger auskommen mussten, und das unabhängig vom vorhandenen Gelände, egal ob dafür ein Tunnel gegraben oder ein Aquädukt gebaut werden musste. Eine der längsten römischen Wasserleitungen überhaupt führte aus der Eifel bis zur Stadt Colonia Claudia Ara Agrippinensium, dem heutigen Köln. Das Bauwerk wurde ca. 80 v.Chr. vollendet und hatte eine Gesamtlänge von über 95 km.

Um das gleichmäßige Gefälle der Leitung zu gewährleisten, mussten Tunnel durch Bergrücken gegraben und Aquädukte über Täler geführt werden. Die Leistungen der Römer (aber auch der Griechen und anderer) im Tunnelbau verdienen größten Respekt und wären ohne Weiteres eine eingehendere Betrachtung wert. Da sich diese Homepage aber in erster Linie mit Brücken beschäftigt, wenden wir uns nun den römischen Aquädukten zu.


Römische Aquädukte

Für die Römer war die Versorgung ihrer Städte mit gutem Trinkwasser von zentraler Bedeutung. In ihren Augen unterschieden sie sich von den "Barbaren" (also allen Völkern außerhalb des römischen Imperiums) unter anderem durch ihre Vorstellungen von Hygiene, Sauberkeit und Entspannung. Die römischen Bäder mit ihren Warm- und Kaltbädern, Saunen, Entspannungs- und Massageräumen bräuchten keinen Vergleich mit einer modernen Kuranstalt zu scheuen. Zur typisch römischen Lebensart gehörten außerdem Springbrunnen, öffentliche Toiletten mit Wasserspülung und künstliche Bewässerungsanlagen für Grünflächen. Natürlich war auch die Entsorgung des verbrauchten Wassers aus Haushalten, Bädern und öffentlichen Toiletten durch Abwasserkanäle5 sichergestellt.

Der Wasserverbrauch einer römischen Stadt war enorm. Ein Bürger Roms hatte einen Pro-Kopf-Verbrauch, der den eines modernen Europäers um ein vielfaches übertraf. Entsprechend aufwändig waren die in die Städte führenden Wasserleitungen und die ausgeklügelten Verteilungssysteme. Die größten sichtbaren Bauwerke waren jedoch die römischen Aquädukte, von denen heute noch viele in unterschiedlichen Erhaltungszuständen vorhanden sind.

Der Aquädukt in Segovia / Spanien (1. Jhd.n.Chr.) ist eines der
am besten erhaltenen Monumente römischer Baukunst

Einer der bekanntesten und am besten erhaltenen römischen Aquädukte ist der Pont du Gard in Südfrankreich. Er war Teil einer ca. 50 km langen Wasserleitung zur Versorgung der Stadt Nemausus (Nîmes). Bei dieser Leitung spielten die Römer all ihre technischen Fähigkeiten aus, denn sie kamen mit dem unglaublichen Gefälle von nur 0,25‰ aus6, obwohl der größte Teil der Leitung in den nackten Fels gehauen werden musste.

Die steinerne Bogenbrücke über den Gardon war das größte Bauwerk der Leitung und wurde wahrscheinlich um 50 n.Chr. errichtet. Der Aquädukt ist aus drei übereinanderliegenden Bogenreihen aufgebaut, wobei die unterste Etage 142 m lang ist und aus sechs Bögen mit Spannweiten von 24,40 m besteht. Die oberste Reihe besteht aus 35 Bögen und hat eine Gesamtlänge von 275 m. Die größte Höhe des Bauwerkes über dem Fluss beträgt 49m. Die eigentliche Wasserleitung besteht aus einem 1,80 m hohen und 1,20 m breiten Gerinne, das innen wasserdicht ausgekleidet war. Ursprünglich war das Gerinne auch mit Steinplatten abgedeckt, die aber heute nur noch zum Teil vorhanden sind.

Ein weiteres Zeugnis römischer Baukunst ist der nicht weniger beeindruckende Aquädukt von Segovia in der Region Kastilien-León. Er wurde wahrscheinlich um 100 n.Chr. zur Regierungszeit Kaiser Trajans erbaut und war Teil einer ca. 15 km langen Wasserleitung zur Versorgung Segovias. Ebenso wie der Pont du Gard wurde er in einem mörtellosen Mauerverband errichtet, den die Römer "Opus quadratum" nannten. Heute verläuft der Aquädukt auf einer Gesamtlänge von 823 m und mit einer maximalen Höhe von 29 m quer durch die Stadt. An seinem Tiefpunkt befindet sich heute kein Fluss, sondern eine viel befahrene Straße.

Und noch ein Beispiel aus Spanien muss hier erwähnt werden, denn der Aquädukt in Mérida macht auch heute noch einen imposanten Eindruck, obwohl von der wasserführenden Rinne nichts mehr übrig ist. Die heutige Hauptstadt der Autonomen Region Extremadura wurde im Jahr 25 v.Chr. unter dem Namen "Emerita Augusta" gegründet. Hier erhielten Veteranen der römischen Legion zum Abschied von der Armee ein Stück Land geschenkt, um sich zur Ruhe zu setzen. Aus diesen Anfängen entwickelte sich eine der bedeutendsten römischen Städte auf der iberischen Halbinsel.

Der Aquädukt wurde etwa um die Zeitenwende, also unter Kaiser Augustus errichtet und ist somit schon über 2000 Jahre alt. Die zugehörige, teilweise auch unterirdisch verlaufende Wasserleitung brachte das Trinkwasser aus einem etwa 5km entfernten Speichersee in die Stadt. Im Unterschied zu den beiden vorher genannten Bauwerken, wurde der Aquädukt von Merida aber nicht in der Opus-Quadratum-Technik, sondern in Opus Caementitium errichtet. Das ist auch der Grund, warum die drei übereinanderliegenden Bogenreihen nicht aus ein und demselben Material bestehen. Neben Natursteinen wurden auch gebrannte Ziegel und unbehauene Bruchsteine verwendet, wobei die roten Ziegelsteine das Bauwerk optisch gliedern. Der durchschnittliche Abstand zwischen den Pfeilern beträgt 4,50 m und die größte Höhe der Wasserleitung über dem Gelände betrug ursprünglich 25 m. Insgesamt ist der Aquädukt 825 m lang.


Aquädukte in nachrömischer Zeit

Die städtische Wasserversorgung ist eine der vielen römischen Techniken, die mit dem Niedergang des Imperiums (etwa ab 500 n.Chr.) langsam in Vergessenheit gerieten. Selbst die Instandhaltung der römischen Leitungen stellte die Menschen des Mittelalters vor unlösbare Probleme. Ebenso wie andere Bauwerke verfielen auch die Aquädukte im Laufe der Zeit und wurden vielerorts als Steinbruch für den Hausbau verwendet.

Jahrhunderte lang siechte der Bau von Brücken, Wasserleitungen und Aquädukten vor sich hin und erlebte -bis auf wenige Ausnahmen- erst mit der frühen Neuzeit eine Renaissance. Zunächst versuchten einige weitsichtige Stadtverwaltungen die römischen Wasserleitungen wieder Instand zu setzen, bevor man Ende des 16., bzw. Anfang des 17. Jhd. in einigen europäischen Regionen damit begann, ganz neue Wasserversorgungen anzulegen.

Ein Wahrzeichen Lissabons: der 'Aqueduto das Águas Livres' (1748)

Ein Zeugnis dieser nachrömischen Entwicklung ist der heute noch gut erhaltene Aqueduto das Águas Livres in Lissabon. Er war das größte Bauwerk einer insgesamt 19km langen Wasserleitung zur Versorgung der portugiesischen Hauptstadt, die 1748 in Betrieb genommen wurde. Im Alcantara-Tal, vor den Toren der Stadt, ist das Bauwerk besonders beeindruckend: in einer maximalen Höhe von 66m über dem Erdboden wird die Wasserleitung mit 109 Spitzbögen über das Tal geführt. Nur sieben Jahre nach seiner Vollendung ereignete sich das furchtbare Erdbeben von Lissabon mit anschließendem Tsunami, welches der Aquädukt nahezu unbeschadet überstand. Die Wasserleitung wurde 1967 durch eine Druckleitung ersetzt, aber der Aquädukt ist noch heute ein beeindruckendes Monument dieser Zeit.

Bei Nerja in Südspanien wurde 1880 eine Wasserleitung gebaut, die zur Versorgung einer nahegelegenen Zuckerfabrik diente. Dafür war auch der Bau des Acueducto del Águila ("Adler-Aquädukt") notwendig, der aus einer vierstöckigen Bogenbrücke besteht. Das gesamte Bauwerk besteht aus Ziegelsteinen und verfügt über insgesamt 38 Bögen. Die Zuckerfabrik hat schon lange die Produktion eingestellt, aber die Wasserleitung ist noch heute zur Bewässerung der umliegenden Felder in Betrieb.


Aquädukte für die Schifffahrt

Eine völlig andere Zweckbestimmung des Aquädukts ist die Schifffahrt oder genauer gesagt die Kanalschifffahrt. Während die Rinne einer Wasserversorgungsleitung meist nur Abmessungen im dm-Bereich benötigt, sind die Anforderungen an einen Schifffahrtskanal deutlich höher. Natürlich versuchte man auch beim Kanalbau die Breite und Tiefe der Fahrrinne so weit wie möglich zu begrenzen. Jeder zusätzliche Zentimeter bedeutete erhebliche Mehrarbeit beim Graben der Fahrrinne (besonders in Tunnelabschnitten) aber auch größere statische Belastungen für die Aquädukte.

Mit den Bauarbeiten für eine der ersten künstlichen Wasserstraßen die den Nil mit dem Mittelmeer verbinden sollte, begann der ägyptische Pharao Necho II um 600 v.Chr. Ein besonders beeindruckendes Beispiel historischer Schifffahrtskanäle ist der Nahrawan-Kanal bei Ktesiphon im heutigen Irak. Sein stellenweise heute noch sichtbares ausgetrocknetes Flussbett verband einst die Flüsse Diyala und Tigris miteinander. Angesichts des Kontrastes zwischen seinen Abmessungen und den damals vorhandenen primitiven Bauwerkzeugen eine kaum vorstellbare Leistung, denn seine Länge betrug etwa 400km und seine Breite variierte zwischen 30 und 122m.

Noch erstaunlicher ist der chinesische Kaiserkanal, der mit einer Länge von fast 1800km bis heute der längste von Menschenhand geschaffene Schifffahrtskanal der Welt ist. Die Arbeiten verliefen in größeren Bauabschnitten, die etwa um 400 v.Chr. begannen und erst im 13. Jhd. unserer Zeitrechnung endeten. Seine Schifffahrtsrinne ist 3 bis 9m tief, an manchen Stellen bis zu 40m breit und weist einen Höhenunterschied von 42m auf.

Bei all diesen historischen Kanälen verbanden die Baumeister natürliche Gewässer miteinander und hielten sich bei der Streckenführung eng an die Höhenschichtlinien. D.h. sie vermieden Geländeunebenheiten und gingen Gebirgen und Tälern weiträumig aus dem Weg. Das schränkte die Möglichkeiten der Trassierung natürlich erheblich ein, aber die Technik war erst viel später dazu in der Lage, auch solche Hindernisse zu überwinden.

Bei allen Schiffskanälen die vor dem 19. Jhd. gebaut wurden, war aber noch ein wesentliches technisches Problem zu lösen, das es beim Bau von Wasserleitungen nicht gibt. Da auch in einem Schifffahrtskanal das Wasser immer bergab fließt, stellt sich natürlich die Frage, wie ein Schiff ohne eigenen Antrieb stromaufwärts fahren kann. Die Lösung für dieses Problem war das "Treideln", das in anderen Regionen Deutschlands auch "Halfern", "Leinen" oder "Bomätschen" genannt wurde. All diese Begriffe bezeichnen das Stromaufwärtsziehen eines Schiffes, entweder mit menschlicher Muskelkraft oder mit Zugtieren.

Reste des ca. 1700 Jahre alten, von Hand gegrabenen Nahrawan-Kanals im heutigen Irak

Die Tradition des Treidelns begann schon bei den Römern und endete erst mit der Erfindung von dampfbetriebenen Schiffsmotoren. Bevor überall spezielle Treidelwege oder Leinpfade angelegt wurden, mussten sich die Mannschaften oder die Zugtiere noch buchstäblich über Stock und Stein und durch unwegsames oder morastiges Ufergelände kämpfen. Als sichtbare Relikte aus dieser Zeit sind noch heute an vielen Flüssen, Kanälen und auf Aquädukten Treidelwege zu entdecken.


Die Binnenschifffahrt Europas

Die europäische Geschichte der Kanalschifffahrt beginnt erst im 12. Jhd. mit dem Durchstich von einigen Flussschleifen. Bis zum 8. Jhd. war auf den ungezähmten Flüssen Europas eine nennenswerte Schifffahrt praktisch unmöglich. Erst nachdem 1325 in Deutschland die erste Kammerschleuse7 gebaut worden war, begann in vielen Ländern Europas der planmäßige Ausbau der Wasserstraßen.

Eines der ersten großen Kanalprojekte Europas war der Canal du Midi in Südfrankreich, der das Mittelmeer mit der Garonne bei Toulouse verbindet und somit letztlich eine durchgehende Wasserstraße bis zum Atlantik herstellte. Neben einer Vielzahl von Schleusen war auch die Errichtung mehrerer Aquädukte und -weltweit erstmalig- eines Kanaltunnels erforderlich. Der Bau des 240km langen Kanals fiel in die Regierungszeit König Ludwig XIV und dauerte von 1667 bis 1681. Geistiger Vater des gesamten Projektes war Pierre-Paul Riquet (1609-1680), ein Autodidakt aus Béziers.

Eine neue Ära im Kanal- und Aquäduktbau wurde gegen Ende des 18. Jhd. durch die industrielle Revolution in Großbritannien ausgelöst. Thomas Newcomen hatte 1712 die erste funktionsfähige Dampfmaschine erfunden, die James Watt 1769 noch einmal entscheidend verbesserte. Um die Maschinen anzutreiben wurden nun in den Wirtschaftszentren Liverpool und Manchester große Mengen an Kohle benötigt, die aus teilweise weit entfernten Minen herangeschafft werden mussten. Der Ausbau des britischen Wegenetzes konnte mit der rasanten Entwicklung aber nicht Schritt halten, was den Warentransport mit Fuhrwerken zeitraubend, mühsam und teuer machte.

Angeregt durch eine Frankreichreise und die Besichtigung des Canal du Midi, ließ der Dritte Duke of Bridgewater 1757 einen Stichkanal von seinen Kohleminen in Worsley, zum schiffbaren Irvell bauen. Mit diesem von James Brindley erbauten Kanal hatte er einen direkten Wasserweg bis nach Manchester hergestellt. Ein paar Jahre später ließ er seinen 'Bridgewater Canal' auch noch mit dem Mersey verbinden und konnte seine Boote nun direkt bis Liverpool fahren lassen. Die Folge davon war, dass er seine Kohle in den Wirtschaftszentren viel billiger anbieten konnte als seine Konkurrenten und trotzdem mehr daran verdiente.

Das Beispiel Bridgewaters führte in den folgenden Jahrzehnten zu einer wahren Kanalbauhysterie in ganz Großbritannien. Auch Investoren sahen im Kanalbau eine Chance auf gute Gewinne, wodurch die Gründung von Kanalbaugesellschaften auf Aktienbasis gefördert wurde. Innerhalb weniger Jahre wurden in Großbritannien hunderte Kilometer Kanäle gebaut. In gewisser Weise schwappte die Welle auch auf Europa über, aber in Deutschland war es durch die mit der "Kleinstaaterei" verbundenen Zölle und andere Handelshemmnisse nicht so leicht einen längeren Kanal zu bauen.

Obwohl die industrielle Revolution schon in vollem Gange war, wurden auch in Großbritannien zu dieser Zeit die meisten Arbeiten im Bauwesen noch immer per Hand ausgeführt. Es war für die Baumeister also nach wie vor wichtig, die Dimensionen des Kanals klein zu halten. Die britischen Kanäle wurden daher meistens für sogenannte 'Narrowboats'8 konzipiert, die über 20m lang sein konnten aber nie mehr als 2,10m breit waren. Da auch der Tiefgang dieser Boote sehr gering war, stellten sie keine großen Anforderungen an die Fahrrinne und die Bauwerke, die entsprechend kostengünstig herzustellen waren.

Treidelschifffahrt auf dem Barton Canal Aqueduct am Bridgewater Kanal (1757)

Allerdings hatten die schmalen Boote auch nur eine geringe Ladekapazität und das sollte sich später rächen. Als die Eisenbahn konkurrenzfähig geworden war und das Schienennetzt im ganzen Land massiv ausgebaut wurde, konnte die Leistungsfähigkeit der Kanäle nicht mehr mithalten. Breitere Kanäle und größere Schiffe hätten der Eisenbahn möglicherweise länger Paroli geboten. Während der "Canal Mania" ließ man sich von geografischen Hindernissen ungern aufhalten und die Kanäle wurden in der Regel auf dem kürzesten Weg gebaut. Dadurch waren viele Sonderbauwerke erforderlich: Schleusen, Tunnel und Aquädukte.

Die sowohl längste als auch höchste Kanalbrücke Großbritanniens aus dieser Zeit ist der Pontcysyllte-Aquädukt in Wales, der vom schottischen Baumeister Thomas Telford errichtet wurde. Das Bauwerk gehörte zum Ellesmerekanal9 und ist noch heute, über 200 Jahre nach seiner Vollendung im Jahre 1805, völlig intakt. Der 307m lange Wassertrog aus Gusseisen kreuzt das Tal des Dee in einer Höhe von 40m. Besonders in den Sommermonaten herrscht reger Verkehr auf dem Aquädukt, denn dann sind sowohl die vielen Hobbykapitäne mit ihren privaten Booten unterwegs, als auch die Ausflugsschiffe, mit denen die Touristen eine Fahrt über das Bauwerk buchen können.

Genau auf dem Höhepunkt der britischen Kanalbauaktivitäten brach die Französische Revolution aus, in deren Folge Großbritannien von Frankreich der Krieg erklärt wurde. Die Kriegsvorbereitungen brachten alle Verkehrsprojekte schlagartig zum Erliegen, zumal sich auch die Investoren wegen der unsicheren Lage zurückhielten. Manche Kanalprojekte konnten mit Mühe und Not zu Ende gebracht werden, andere blieben für immer unvollendet.

Als die Koalitionskriege 1815 endlich zu Ende gingen, lag die Wirtschaft in Großbritanniens am Boden. Aber auch nach der ökonomischen Erholung des Landes wurden nur wenige Kanalbauvorhaben wieder aufgegriffen, weil mit der Eisenbahn inzwischen ein starker Konkurrent auf der Bildfläche erschienen war. Nachdem 1821 die erste kommerzielle Eisenbahnlinie zwischen Stockton und Darlington in Betrieb gegangen war, sahen die meisten Investoren die Zukunft des Transportwesens in der Eisenbahn. Die Kanäle wurden danach nicht weiter ausgebaut und nie wieder wurde in England ein dem Pontcysyllte-Aquädukt vergleichbares Bauwerk gebaut.


Aquädukte in Amerika und Deutschland

Auch in Amerika wurden vor der Verbreitung der Eisenbahn zahlreiche Verbindungskanäle zwischen den natürlichen Flüssen gebaut, um die unendlichen Weiten des Landes zu erschließen. Zu den wichtigsten im 19. Jhd. gebauten amerikanischen Kanälen gehörten der Erie-Kanal (584km), der Morris-Kanal (172km) und der Pennsylvania Kanal.

Auch der große Brückenbauer Johann August Röbling war für amerikanische Kanalgesellschaften tätig, bevor er seine erste Straßenbrücke baute. Zum Einstand in den Kanalbau lieferte seine Firma Drahtseile für Kanalrampen, mit deren Hilfe die Schiffe über Bergrücken gezogen wurden. Die ersten von ihm gebauten Brücken waren Drahtkabelhängebrücken für die Kanalgesellschaften: der Aquädukt über den Allegheny River bei Pittsburgh (1845), der Delaware Aquädukt bei Lackawaxen (1848), der Neversink Aquädukt bei Deerpark (1850) und die High Falls Aqueduct Bridge, New York (1850).

Querschnitt durch einen Pfeiler des Delaware-Aquedukts von John A. Roebling (1848).
Das Bauwerk gehörte zum 'Delaware and Hudson Canal'.

Unter den zahlreichen Relikten aus römischer Zeit gibt es auch in Deutschland Kanäle und Aquädukte zu bewundern. Besonders viele Bauwerke der römischen Eifelwasserleitung für die Stadt Köln sind noch heute im Landkreis Euskirchen zu finden. Bei Kreuzweingarten (Stadt Eurskirchen) gibt es einen Querschnitt durch die historische Leitung zu sehen. Das Interessante an diesem Abschnitt ist die ca. 30cm starke Kalkschicht, die sich während der 200-jährigen Betriebszeit abgelagert hat. Bei Mechernich wurden 1961 die ersten Bögen eines Aquäduktes rekonstruiert, wie er an dieser Stelle 2000 Jahre früher gestanden hatte.

Einen beeindruckenden Aquädukt der Neuzeit für die Schifffahrt gibt es im nordrhein-westfälischen Minden zu sehen. Das bekannte Wasserstraßenkreuz führt den Mittellandkanal mit einem Höhenunterschied von 13m über das Tal der Weser. Genau genommen handelt es sich aber um zwei direkt nebeneinander liegende Kanalbrücken, wobei die ältere noch aus Wilhelminischer Zeit stammt (1915) und die neuere 1998 in Betrieb genommen wurde. Die neue Brücke ist mit 398m etwas länger als das alte Bauwerk.

Der Mittellandkanal ist mit einer Länge von 325km der wichtigste deutsche Schifffahrtskanal und ermöglicht eine durchgehende Passage von der Oder bis zum Rhein. Im östlichen Abschnitt des Kanals wurde 2002 mit dem Wasserstraßenkreuz Magdeburg ein weiterer Aquädukt in Betrieb genommen. Die Kanalbrücke über die Elbe war eigentlich schon bei der ursprünglichen Planung des Mittellandkanals vorgesehen. Durch den 1. und 2. Weltkrieg, sowie die anschließende deutsche Teilung verzögerte sich ihre Vollendung aber um fast 100 Jahre.

Weitere Beispiele und Fotos zum Thema Aquädukte und Kanalschifffahrt finden Sie über den untenstehenden Link.

1 Die deutsche Rechtschreibung lässt sowohl die Artikel 'der' als auch 'das' zu. Ich habe mich für 'der' entschieden.

2 Ein Wadi ist das Bett eines zeitweilig trockenfallenden Flusses.

3 Mit dem Chorobat ermittelten die Römer Höhenunterschiede zwischen zwei Geländepunkten, während mit der Groma (rechte) Winkel gemessen wurden.

4 Das Pendant zu einer Freispiegelleitung ist eine Druckleitung, in der das Wasser gepumpt wird. Und das, wenn es sein muss, sogar bergauf.

5 Die bekannteste und schon dem Namen nach größte römische Abwasserleitung war die 'Cloaca Maxima' in Rom.

6 Das entspricht 25 cm Höhenunterschied auf 1 km Länge.

7 Mit einer gehörigen Portion westlicher Ignoranz wird manchmal behauptet, dies sei die Erfindung der Kammerschleuse gewesen. In Wirklichkeit hatte sie aber ein chinesischer Kommissar für Transportwesen namens Qiao Weiyue schon 984 entwickelt.

8 Von 'narrow' = schmal, eng.

9 Gehört heute zum Llangollan Kanal.

Quellen:
  • Sven Ewert: "Brücken - Die Entwicklung der Spannweiten und Systeme"
  • David J. Brown: "Brücken - Kühne Konstruktionen über Flüsse, Täler, Meere"
  • Dirk Bühler / Deutsches Museum München: "Brückenbau"
  • Charlotte Jurecka: "Brücken - Historische Entwicklung, Faszination der Technik"
  • Fritz Kretzschmer: "Bilddokumente römischer Technik"
  • Heinz O. Lamprecht: "Opus Caementitium"
  • Klaus Grewe: "Die hohe Kunst der Landvermesser" (epoc 1/2012)
  • Dieter Ziegler: "Die Industrielle Revolution"
  • Samuel Smiles: "Life of Thomas Telford"
  • Walter Kaiser / Wolfgang König: "Geschichte des Ingenieurs"
  • Klaus Stiglat: "Brücken am Weg"
  • Fritz Leonhardt: "Brücken - Ästhetik und Gestaltung"
  • Washington Roebling: "Mein Vater John A. Roebling"
  • wikipedia
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