Karlsbrücke

ursprünglich: "Prager Brücke" oder "Steinerne Brücke"

Prag / Tschechische Republik

Ansicht der Karlsbrücke
Die Karlsbrücke während der letzten umfassenden Sanierungsarbeiten im Jahr 2008.
Vor der Brücke die für die Karlsbrücke typischen Eisbrecher aus Holz.
Brief summary:
Charles Bridge is one of the oldest preserved stone arch bridges in Europe from post-Roman times. It has already survived numerous floods of the Vltava River and has also experienced a lot of other things. Today it is one of the main attractions for Prague's numerous tourists.

Die Karlsbrücke ist eine der ältesten erhaltenen Steinbogenbrücken Europas aus nachrömischer Zeit. Sie hat schon zahlreiche Hochwässer der Moldau überstanden und auch sonst so einiges erlebt. Heute ist sie einer der Hauptanziehungspunkte für die zahlreichen Touristen Prags.

Das heutige Stadtgebiet von Prag war wegen seiner fruchtbaren Böden schon in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt und entwickelte sich im Mittelalter zu einer der bedeutendsten Städte nördlich der Alpen. Entscheidend für diese Expansion war vor allem die günstige Lage an einer flachen Stelle der Moldau, die als Furt genutzt werden konnte und dem Handel entscheidende Impulse gab. Einigermaßen komfortabel konnte eine solche Furt aber nur bei Niedrigwasser benutzt werden, oder wenn der Fluss zugefroren war.


Vorgängerbauwerke


Blick vom Altstädter Turm
Blick vom Altstädter Turm auf die Brücke und die Kleinseite.
Im Hintergrund der Hradschin. Das Foto entstand während
der Sanierungsarbeiten im Jahr 2008.

Im Jahre 795 ließ der böhmische Herzog Mnata die erste Holzbrücke errichten, die jedoch immer wieder repariert oder erneuert werden musste. Im Jahr 1157 wurde sie durch eines der zahlreichen Moldauhochwässer wieder einmal vollständig zerstört. Für die Stadt und die ganze Region war der Verlust der einzigen Brücke weit und breit sicherlich eine Katastrophe. Dennoch entschied man sich gegen den kurzfristigen Neubau einer Holzbrücke, sondern suchte nach einer dauerhafteren Lösung.

Diese konnte zum damaligen Zeitpunkt nur in einer Steinbogenbrücke bestehen. Die Moldau ist aber selbst bei normalen Wasserständen ein mächtiger Fluss und vergleichbare Brücken (die nicht aus römischer Zeit stammten) gab es zu dieser Zeit nur in Würzburg und in Regensburg. Es sollte daher letztlich noch ein viertel Jahrhundert vergehen, bis es wieder eine Brücke über die Moldau gab.

Es war der böhmische König Vladislav II, der den Bau der ersten steinernen Brücke über die Moldau befahl. Allerdings hatte sich Vladislav 1172 nach Meerane in Thüringen zurückgezogen, wo er 1174 starb. Die Chronisten sehen daher Vladislavs zweite Gemahling Judith als die eigentliche Betreiberin des Brückenbaus. Vermutlich wurde 1168 mit den Arbeiten begonnen, aber der Baubeginn ist nicht sicher belegt. Wohl aber die Vollendung und Einweihung der Brücke im Jahr 1171. In mehreren historischen Quellen wird die außerordentlich kurze Bauzeit von nur drei Jahren ausdrücklich erwähnt. Es gibt allerdings auch Chronisten, die von einem früheren Baubeginn, schon um das Jahr 1158 berichten.


Die Judithbrücke


Die größte Schwierigkeit beim Bau einer Steinbrücke war zum damaligen Zeitpunkt die Fundamentierung der Pfeiler. Das war auch der Grund, warum in ganz Europa fast 1000 Jahre lang keine solche Brücke gebaut wurde. Das Wissen der Römer über Gründungsmethoden im offenen Wasser war verloren gegangen. Nach dem Mittelalter musste man sich solchen Techniken daher erst wieder annähern. Allerdings fehlte neben den Kenntnissen über Gründungsmethoden auch noch der wasserfeste Mörtel, den die Römer schon hatten und den der Engländer John Smeaton erst 1755 "wiederentdecken" würde. Das Mittel der Wahl war zu dieser Zeit und in solchen Fällen daher die Verwendung eines Gitterrostes aus Holz. Das ist eine Art liegendes Fachwerk, das entweder auf eingerammten Pfählen ruhte (Pfahlrost) oder direkt auf der vorbereiteten Gewässersohle aufgelegt wurde (Flachgründung). Nachdem man die Lage des Gitterrostes mit schweren Steinen fixiert, und einen eingermaßen ebenen Sockel geschaffen hatte, konnte man mit dem Aufmauern der behauenen Steine für den Pfeiler beginnen.

Diese Gründungsarbeiten konnten nur in einem sehr trockenen Sommer durchgeführt werden und vielleicht hat man in Prag einige Jahre auf diese günstige Gelegenheit warten müssen. Der Name des Baumeisters Einige Quellen aus dem 19 Jhd. berichten, Vladislav habe für die Brücke einen Baumeister aus Italien anreisen lassen. ist übrigens unbekannt. Das Werk hat aber sicherlich großen Eindruck auf seine Mitmenschen gemacht, denn zu dieser Zeit gab es in ganz Europa nur wenige vergleichbare Bauwerke.

Die Brücke wurde nach Judith von Thüringen (ca. 1130-1175) benannt. Sie soll sich entscheidend für den Bau der Brücke eingesetzt haben und vielleicht hat sie ihn auch größtenteils finanziert. Leider gibt es keine bildliche Darstellung der Judithbrücke, aber aufgrund historischer Quellen weiß man ungefähr wie sie ausgesehen hat. Sie war etwa 515 Meter lang, knapp 7 Meter breit und hatte mindestens 21 halbkreisförmige Bögen. Die Angaben schwanken zwischen 21 bis 27 Bögen.

Im Verhältnis zu den Bogenöffnungen waren ihre Pfeiler sehr wuchtig, etwa so wie bei der um die gleiche Zeit entstandenen Steinernen Brücke in Regensburg. Auf den Pfeilervorbauten, die man "Beschlächte" nennt, befanden sich vermutlich Mühlen, bzw. mit Wasserkraft betriebene Hammerwerke. An den beiden Brückenenden standen Brückentürme, von denen heute sogar noch einer erhalten ist, nämlich der etwas kleinere "Judithturm" auf der Kleinseite. Aber auch ein Bogen unter einem Haus und einige Pfeilerreste sind heute noch von dieser legendären Brücke vorhanden.


Das Ende der Judithbrücke


Bei Nacht
Die beiden Brückentürme auf der Kleinseite. Links der Judithturm
aus dem 12. Jhd. Im Vordergrund einer der Brückenheiligen.

Der Einsturz der Judithbrücke wird häufig mit dem verheerenden Magdalenenhochwasser am 22. Juli 1342 (sowie den nachfolgenden Tagen) in Verbindung gebracht. Durch diese europaweite Katastrophe stürzten tatsächlich unzählige Brücken ein, aber die Judithbrücke wurde schon fast ein halbes Jahr früher zerstört. Das verhängnisvolle Moldauhochwasser mit Eisgang ereignete sich Anfang Februar 1342 Das genaue Datum des Einsturzes ist umstritten. Er muss sich aber zwischen dem 1. und 3. Februar 1342 zugetragen haben. und riss zwei Drittel der Judithbrücke in die Fluten. Der Schwachpunkt der Brücke dürfte die schon erwähnte flache Gründung gewesen sein, die nicht ausreichend gegen Unterspülung geschützt war.

Bei einem erneuten Hochwasser 1344 stürzte das letzte Drittel der Brücke ein, weil die verbliebenen Bögen durch den fehlenden Seitendruck sehr labil waren. Die wirtschaftlichen und logistischen Folgen der zerstörten Brücke müssen dramatisch gewesen sein. Dennoch waren Stadt und Land viele Jahre unfähig eine Sanierung in Angriff zu nehmen. Die massiven Überreste führten zu einem Rückstau in der Moldau und zu erheblichen Problemen für die Schifffahrt und die ersatzweise eingerichteten Fähren.

Der Einsturz der Judithbrücke war durchaus von nationaler Bedeutung für ganz Böhmen. Das geht aus einem Scriptum des Domherrn Franziscus von Prag hervor: "...gleichsam die Krone des Königreiches ist gefallen. Es trat große Mühseligkeit ein, Gefahren für die Leute bei der Schifffahrt, und Bekümmerniss der Armen wegen des Wegfalles der Schifffahrt".

Über die Jahrhunderte haben sich viele Legenden um den Bau der Karlsbrücke erhalten, die nur schwer auszurotten sind. Eine dieser Anekdoten betrifft die lange Zeit vom Einsturz der Judithbrücke bis zum Baubeginn für die neue Brücke. Einige Quellen behaupten, der König hätte diese schwierige Aufgabe seinem Baumeister Matthias von Arras nicht zugetraut. In Wirklichkeit ist wohl eher die komplizierte Beseitigung der Trümmer von der Judithbrücke der Grund für die lange Zeit der Untätigkeit.


Der Bau der Karlsbrücke


Wie Johannes Nepomuk zum "Brückenheiligen" wurde

*ca. 1350 in Pomuk, +20.03.1393 in Prag

Johannes Nepomuk

Johannes Nepomuk wurde in einem kleinen böhmischen Dorf namens Pomuk in der Nähe von Pilsen geboren. Er hieß eigentlich Johannes Welflin, aber in seinem späteren Leben nannten ihn alle nach seinem Heimatort. Kindheit und Jugend liegen weitgehend im Dunklen aber 1369 taucht er erstmals in Prag auf, zunächst als Notar und später als kirchlicher Würdenträger. Zwischen 1380 und 1387 studierte er Kirchenrecht, zuerst in Prag und anschließend in Padua.

Nach seiner Rückkehr aus Italien übte er zunächst eine Art staatsanwaltliche Tätigkeit für die damals allmächtige Kirche aus. 1389 ernannte ihn der Prager Erzbischof zu seinem Generalvikar. Ein Jahr später ging er nach Saaz (heute Zatec, Böhmen) und wurde dort Erzdiakon.

Im März 1393 wurde Johannes Nepomuk auf Befehl des böhmischen Königs Wenzel IV (1361-1419) festgenommen und in den Kerker gesperrt. In den folgenden Tagen wurde er dort zu Tode gefoltert, und das offenbar sogar unter aktiver Teilnahme des Königs. In der Nacht auf den 20. März wurde sein lebloser Körper von der Karlsbrücke in die Moldau geworfen und damit die Grundlage für seine spätere Verehrung als "Brückenheiliger" geschaffen.

Nepomuk war auch Beichtvater der Sophie von Bayern (1376-1425) gewesen, der zweiten Gemahlin Wenzel IV. In der Bevölkerung machte daher schon bald das Gerücht die Runde, der König habe Nepomuk hinrichten lassen, weil dieser ihm nicht verraten wollte, was Sophie gebeichtet hatte. Der König habe einen Seitensprung seiner Gemahlin vermutet, aber der Beichtvater habe bis zu seinem Tod auf der Folterbank geschwiegen.

Vielleicht stimmt diese volkstümliche Anekdote, aber viel wahrscheinlicher ist doch ein politisch motiviertes Zerwürfnis mit dem König. Nach historischen Texten geriet Nepomuk nämlich zwischen die Mühlsteine der religiösen und weltlichen Mächte. Dabei ging es um die Wahl eines neuen Abtes für das Kloster Kladrau im Jahre 1393. König Wenzel hatte für diese Wahl einen eigenen Kandidaten in Stellung gebracht, aber die Mönche wählten einen Bruder aus ihrer Mitte. Nepomuk bestätigte die vollzogene Wahl gegenüber dem Prager Erzbischof, der ohnehin ein ständiger Widersacher des Königs war. Dadurch zog er sich den Zorn Wenzels zu und musste dann vielleicht stellvertretend für den Erzbischof sterben, denn an diesen traute sich der König nicht heran.

Die sterblichen Überreste Nepomuks wurden wenige Tage nach dem Brückensturz von seinen Anhängern aus der Moldau geborgen und im Prager Veitsdom bestattet. Seine letzte Ruhestätte fand er in einem monumentalen Hochgrab aus dem 17. Jhd., das von dem berühmten Barockarchitekten Fischer von Erlach gestaltet wurde.

Nepomuk wurde 1729 von Papst Benedikt XIII heiliggesprochen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war er in der Bevölkerung sehr beliebt. Er ist nicht nur Brückenheiliger, sondern auch Schutzpatron der Beichtväter sowie Nationalheiliger in Böhmen und Bayern.

Die Grundsteinlegung für die Karlsbrücke durch den böhmischen König Karl IV Karl IV war ab 1355 auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. (1316-1378) fand im Jahre 1357 statt, wobei das genaue Datum unbekannt ist. Manche Chronisten nennen den 15. Juni, weil es der Festtag des heiligen Vitus war, andere den 9. Juli Nach Rudl fand die Grundsteinlegung am 09.07.1358 statt, aber bei der Jahreszahl dürfte es sich um einen "Druckfehler" handeln. und zwar genau um 5:31 Uhr. In einer Zeit, in der auch Aberglaube weit verbreitet war, spricht einiges für die zweite Variante, denn dieser Zeitpunkt lässt sich durch eine gleichmäßige Folge auf- und absteigender ungerader Zahlen ausdrücken: 1-3-5-7-9-7-5-3-1 (=9.7.1357, 5:31).

Die wichtigste Person beim Bau der Karlsbrücke war der aus Schwäbisch Gmünd stammende Peter Parler (1333-1399). Er hatte in der Dombauhütte in Köln das Steinmetzhandwerk gelernt und wurde 1356 von Karl IV nach Prag geholt, um seinen verstorbenen Dombaumeister Arras zu ersetzen. Jahrhundertelang waren sich die Historiker einig, Parler sei von Anfang an auch für die Karlsbrücke verantwortlich gewesen und hätte auch die Pläne entworfen. Nach einer neueren Theorie kümmerte er sich aber zunächst nur um die Vollendung des von Arras begonnenen Veitsdoms und übernahm erst 1360 auch die Bauleitung für die Karlsbrücke. Bis dahin sollen die Bauarbeiten an der Brücke in Wirklichkeit von einem Prager Steinmetz namens Oto (oder Otlin) begonnen worden sein.

Die Gründung der Brücke erfolgte wie schon bei der Judithbrücke auf Pfahlrosten aus Eiche, die allerdings mit verklammerten Mühlsteinen beschwert wurden. Alle anderen Details der Gründung waren aber wesentlich "moderner", insbesondere was das Verhältnis zwischen der Bogenweite und der Stärke der Pfeiler angeht. Die Spannweiten der Bögen sind deutlich größer als bei der Judithbrücke, wodurch nur 16 Pfeiler im Fluss nötig waren. Insgesamt setzt die Karlsbrücke den Naturgewalten der Moldau daher eine viel kleinere Angriffsfläche entgegen und ist daher bei Hochwasser und Eisgang weniger gefährdet.

Eine weitere Legende, die in vielen Texten über die Karlsbrücke zu finden ist, rankt sich um die Zusammensetzung des Mörtels für das Mauerwerk. Um eine besonders hohe Festigkeit zu erzielen, seien dem Kalk Wein und rohe Eier hinzugefügt worden, die zu tausenden aus dem ganzen Land herangeschafft Bei dieser Legende kommen die Einwohner der Stadt Velvary nicht gut weg. Angeblich hätten sie ihre "Eierabgabe" vorher gekocht, damit sie den Transport nach Prag besser übersteht. worden seien. Bei der Sanierung im Jahr 2008 analysierte man den Mörtel auf seine Bestandteile und konnte die Verwendung von Eiern ausschließen. Wohl aber wurden Spuren von Wein und Quark nachgewiesen, Zusätze die schon die Römer für ihren Mörtel verwendet hatten. Die Brücke besteht überwiegend aus Sandstein, wobei Teile des ursprünglichen Materials inzwischen bei Sanierungsarbeiten ausgetauscht wurde.

Während der Baubeginn immerhin noch auf ein konkretes Jahr eingegrenzt werden kann, liegt die Fertigstellung der Brücke ziemlich im Dunklen. Sicher scheint zu sein, dass Peter Parler bis zu seinem Tode im Jahre 1399 an der Brücke und dem Altstädter Turm gearbeitet hat. Allerdings berichten einige Quellen von einer Benutzbarkeit der Brücke schon ab ca. 1380. Klar ist aber wohl auch, dass es schon während der Bauarbeiten zu mehreren Beschädigungen durch Hochwasser kam und dadurch auch zu Verzögerungen. Die letzten Hochwasserschäden am unvollendeten Bauwerk sollen sich 1432 zugetragen haben. Manche Chronisten geben daher an, die Reparatur und endgültige Fertigstellung der Brücke sei erst 71 Jahre später gelungen, nämlich im Jahr 1503.


Die Brückentürme


Hochwasser 1784
Historische Darstellung des Hochwassers am 27. und 28. Februar 1784.
Im Vordergrund treiben mächtige Eisschollen auf die Karlsbrücke zu.

Hauptsächlich aus strategischen Gründen wurden im frühen Mittelalter vielen Steinbrücken wuchtige Türme hinzugefügt. Zur militärischen Verteidigung und für die Einnahme des Brückenzolls war die Befestigung der Brückenköpfe besonders wichtig. Manchmal, wie z.B. in Regensburg, gab es noch einen zusätzlichen Turm in der Brückenmitte, der zeitweise als Kapelle genutzt wurde. Auch die Karlsbrücke verfügt über drei Brückentürme, die sich aber alle an den Brückenenden befinden.

Besonders markant ist der von Peter Parler errichtete "Altstädter Turm" auf der Ostseite, der auch der höchste von allen ist. Er entstand zeitgleich mit der Brücke und ist reich mit Wappen und Reliefs geschmückt. Die Verzierungen auf der Westseite (die zur Moldau gelegene Seite) wurden in den letzten Tagen des dreißigjährigen Krieges von den Schweden so stark zerschossen, Die Beschießungen begannen am 11. Oktober 1648 und dauerten bis zum 30. Oktober an, obwohl bereits am 24.10. in Münster der "Westfälische Frieden" unterzeichnet worden war und der Krieg damit offiziell beendet war. Einige Tage später kam es zum berüchtigten "Prager Kunstraub". dass sie später nicht mehr restauriert werden konnten. Heute ist die Besichtigung des Altstädter Brückenturmes einer der Höhepunkte jeder Pragreise, denn von seinem Dach hat man einen herrlichen Blick auf die Brücke, die Moldau und die Kleinseite mit dem Hradschin.

Am westlichen Brückenende (Kleinseite) befinden sich gleich zwei Türme, die durch einen Torbogen miteinander verbunden sind. Der kleinere stammt aus dem 12. Jhd. und wird "Judithturm" genannt, weil er noch ein Überbleibsel des Vorgängerbauwerks ist. Möglicherweise ist er aber sogar noch älter als die Judithbrücke. Ursprünglich handelte es sich um ein romanisches Bauwerk, aber im 16. Jhd. wurde der Turm im Stile der Renaissance umgestaltet. Im Laufe seiner wechselvollen Geschichte diente der Turm u.a. als Zollhaus und war über 200 Jahre ein Gefängnis für Schwerverbrecher.

Der höhere Turm auf der Kleinseite wurde erst 1464 im spätgotischen Stil errichtet und lehnt sich in seiner Gestaltung an Parlers Turm auf der Altstädter Seite an. Auch er kann heute besichtigt werden.


Die "Brückenheiligen"

Einen wesentlichen Anteil am harmonischen Erscheinungsbild und der Unverkennbarkeit der Brücke haben auch die steinernen Heiligenfiguren. Heute befinden sich insgesamt 30 Skulpturen auf der Brücke, aber bei ihrer Vollendung hatte sie - bis auf die Türme - keinerlei zusätzlichen Schmuck. Die erste aufgestellte Plastik aus dem Jahr 1683 stellt den "Brückenheiligen" Johannes Nepomuk dar, der 1393 in Prag zu Tode gefoltert und von der Brücke gestürzt worden sein soll.

Die weiteren Skulpturen wurden nach und nach bis 1859 aufgestellt, wobei sich zeitgenössische Künstler einen Wettstreit der verschiedenen Stilrichtungen lieferten. Die Plastiken bestehen zum Teil aus Bronzeguss aber manche sind auch aus Stein. Im Laufe der Zeit mussten einige der Statuen wegen starker Beschädigungen ersetzt werden. Daher entschloss man sich Mitte des 20. Jahrhunderts dazu, die Originale nach und nach durch Kopien zu ersetzen. Man hatte festgestellt, dass ihnen die Umwelteinflüsse auf Dauer nicht gut bekamen und immer die Gefahr von mutwilliger Beschädigung bestand. Die Originale der Statuen befinden sich heute im Prager Nationalmuseum.


Hochwasser und Eisgang der Moldau


Notbrücke während der Brückenreparatur
Umfahrungsbrücke aus Holz während der Reparaturarbeiten
nach den Zerstörungen des Hochwassers im Jahr 1890.

Die meist so idyllisch dahinfließende Moldau verwandelt sich in unregelmäßigen Abständen in einen reißenden Strom, manchmal auch mit gleichzeitigem Eisgang und setzt dabei ungeheure zerstörerische Kräfte frei. Nach den historischen Aufzeichnungen des Prager Pegels gab es kaum ein Jahrzehnt, in dem sich keine größeren Hochwässer ereigneten.

Neben vielen kleineren Fluten wurden besonders dramatische Ereignisse in den Jahren 1784 und 1890 registriert, aber auch die Überschwemmung von 2002 ist unvergessen. Das Hochwasser mit Eisgang am 28.02.1784 wurde durch eine vorübergehende Klimaverschlechterung ausgelöst, die letztendlich auf Vulkanausbrüche in Island zurückgingen. Die Moldau stieg innerhalb von 12 Stunden über vier Meter an und riss drei Bögen der Karlsbrücke mit sich. Dabei kamen einige Soldaten zu Tode, die auf der Brücke stationiert waren.

Beim Hochwasser am 4. September 1890 stauten sich ungeheure Mengen Treibholz vor der Brücke, was zum erneuten Einsturz von drei Bögen führte. Durch Computersimulationen konnte man ermitteln, dass die Moldau beim Hochwasser 1784 eine Wassermenge von 4.580 m³ je Sekunde führte. Beim jüngsten Elbe- und Moldauhochwasser im August 2002 wurde sogar ein Abfluss von ca. 5.300 m³/s berechnet. Zum Vergleich: der mittlere Abfluss (MQ) am Pegel bei Prag beträgt 151 m³/s.


Die Karlsbrücke heute


Die Karlsbrücke trug nicht immer diesen Namen, denn die ersten Jahrhunderte ihres Bestehens wurde sie entweder "Steinerne Brücke" oder einfach nur "Prager Brücke" genannt, bis sie 1870 offiziell ihren heutigen Namen erhielt. Im Laufe ihrer wechselvollen Geschichte wurde sie von Pferdefuhrwerken, der Pferdebahn, dann der Straßenbahn und schließlich von Autos und Omnibussen befahren. Seit einer grundlegenden Sanierung von 1965-1978 darf sie aber nur noch von Fußgängern und Radfahrern benutzt werden.

Die jüngste, mehrjährige Instandsetzung fand ab 2007 statt, stieß in der Öffentlichkeit aber auf viel Kritik. Angeblich waren Baufirmen beteiligt, die für eine so sensible Aufgabe nicht geeignet waren und unnötig viel von der historischen Bausubstanz zerstörten. Die tschechische Denkmalschutzbehörde verhängte ein Strafgeld gegen die Stadt Prag und auch die UNESCO stellte Ermittlungen an, weil die Karlsbrücke mit der Altstadt zum Weltkulturerbe zählt.

Davon unabhängig ist die Karlsbrücke heute die bekannteste Sehenswürdigkeit Prags und wird jährlich von unzähligen Touristen besucht. Meistens wimmelt es nur so auf der Brücke und der ambitionierte Fotograf findet kaum eine Gelegenheit, die Brücke einigermaßen fotogen abzulichten. Bei schönem Wetter sind auch viele Souvenirhändler auf der Brücke, und meist spielt eine Jazzband zur Unterhaltung der Besucher auf.

Die Karlsbrücke war mindestens 350 Jahre lang Prags einzige Brücke über die Moldau, bis 1850 der Karlin Viadukt für die Eisenbahn vollendet wurde. Die zweite Brücke für den Straßenverkehr war die 1868 fertiggestellte Franz-Joseph-Brücke, eine Ketten-Schrägseilbrücke nach dem System Ordish-Le Feuvre. Sie musste mehrfach verstärkt bzw. saniert werden und wurde 1947 vollständig abgetragen.

Heute gibt es in Prags innerem Stadtbezirk insgesamt 15 Brücken über die Moldau, aber keine von ihnen reicht auch nur annähernd an die Bekanntheit und Schönheit der Karlsbrücke heran.

Quellen: Interne Links:
  • Vaclav Frantisek Veleba: "Die berühmte Prager Brücke und ihre Statuen in 37 Kupfern dargestellt, mit Beschreibungen und Legenden" [Prag, 1827].
  • Joseph Rudl: "Die Berühmte Prager Karlsbrücke und ihre Statuen mit einem kurzen Anhange: die Franzens-Kettenbrücke" [Prag, 1846]
  • Franz Rziha: "Die ehemalige Judith-Brücke zu Prag - das erste grosse Ingenieur-Werk in Böhmen" [Prag, 1878].
  • Dr. Eduard Maria Schranka: "Brückenkunde. Cultur- und literarhistorische Studie, mit einer Geschichte der Prager Karlsbrücke von Theodor Hutter. Ein Scherflein zum Wiederaufbau der Prager Karlsbrücke. [Prag, 1890].
  • Rudolf Floss: "Fundierung alter Brücken". Veröffentlicht in "Beiträge zur Geschichte des Bauingenieurwesens"; Vorträge im Wintersemester 1993/94 an der TU München.
  • David J. Brown: "Brücken - Kühne Konstruktionen über Flüsse, Täler, Meere" [München, 2005].
  • structurae.de

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